Zadie Smith hat einen Roman ĂŒber ihre Heimat geschrieben: den multikulturellen Nordwesten Londons, in dem die weniger BegĂŒterten, die sozial SchwĂ€cheren wohnen.
Doch ein solches Milieu gibtâs nicht nur in London, sondern in jeder gröĂeren Stadt, und deshalb ist das Buch nicht nur fĂŒr Leser interessant, die sich fĂŒr die englische Hauptstadt interessieren.
Die 1975 geborene Autorin zieht ihre Geschichte an vier Hauptfiguren auf, die exemplarisch fĂŒr die Menschen in solchen Vororten stehen können: Da ist die haltlose Leah, die sich ihrem dominanten Freund Michel unterordnet, der mittellose Junkie Nathan oder Felix, der einfach das Pech hat, an jugendliche StraĂenrĂ€uber zu geraten. Allein Natalie scheint sich als erfolgreiche AnwĂ€ltin aus dem sozialen Sumpf ihrer Kindheit befreit zu haben. Doch auch bei ihr gibt es eine dunkle Seite, wie sich im weiteren Fortgang des Textes zeigt.
âLondon NWâ bietet Licht und Schatten. Manchmal ist man den Figuren ganz nah, kann ihr Handeln gut nachvollziehen und fĂŒhlt sich unmittelbar in eine typische groĂstĂ€dtische Vorort-AtmosphĂ€re versetzt. Doch dann gibt es auch die Passagen, in denen sich einem der Text auf merkwĂŒrdige Weise verweigert, seltsam sperrig wirkt. Dann fĂ€llt es schwer, die vielen (Neben-)Figuren und ihre oft verwirrenden Beziehungen untereinander aufzudröseln, beziehungsweise im Kopf immer parat zu haben. Auch werden solche Leser enttĂ€uscht sein, die klassisch erzĂ€hlte Geschichten mit Einleitung, Höhepunkt und Schluss mögen. Es geht bei diesem Roman eher um viele kleinere locker miteinander verwobene Episoden ohne Anfang und Ende, die nicht zu einem geschlossenen Ganzen fĂŒhren.
Aber vielleicht ist es eben genau das, was jenes bestimmte Milieu, das Zadie Smith zeigen wollte, am ehesten veranschaulicht.
Zadie Smith: London NW.
Kiepenheuer & Witsch, Januar 2014.
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,99 Euro.