Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Herman Melville: Bartleby, der Schreiber. Eine Geschichte aus der Wall Street (1853)
Jetzt bestellen bei amazon.de! Bartleby, der Kopist, möchte nicht mehr schreiben und das ist eigentlich okay, denn jeder Mensch hat seinen freien Willen und trifft seine Entscheidungen auf Grund von Prägungen, Prinzipien und Zielen. Was will er stattdessen? Sich zur Ruhe setzen und Bücher verfassen? Ein Broadway Star werden? Oder Polizist? Oder ein Krimineller? Das fragt sich sein Arbeitgeber, der Inhaber einer Kanzlei an der Wall Street, auch, denn seit einiger Zeit erwidert der stille und bislang zwar einsiedlerische, aber trotzdem arbeitssame Bartleby auf alle ihm aufgetragenen Aufgaben nur immer eines: „Ich möchte lieber nicht.“

Aber nein, der Notar packt sich seinen Schreiber nicht beim Kragen, schüttelt ihn nicht, zwingt ihn nicht oder wirft ihn gar hinaus, denn Bartleby ist zwar ein stiller, exzentrischer Mensch, aber ja kein Böser, er tut ja keiner Fliege etwas zuleide. Der Notar lässt ihn gewähren, empfindet ihn bisweilen sogar als angenehme, weil stille Gesellschaft, hat Mitleid mit ihm, wer weiß, oder ist vielleicht auch einfach nur fasziniert von Bartlebys stiller und zugleich vehementer Verweigerung. Bartleby tut nichts mehr, er ist einfach da, hat seinen „Arbeits“platz hinter dem Paravent im Büro des Notars zu seinem „Lebens“platz gemacht.

Irgendwann – Kollegen und Klienten reden schon über ihn - wird dem Kanzleiinhaber Bartlebys Verhalten zu bunt und er will ihn loswerden. Aber wie nur? Die Polizei holen und Bartleby abholen lassen? Aber das hat er ja nicht verdient, denn er ist ja kein Böser, sondern nur einer, der sowohl Arbeit als auch seinen Rauswurf schlichtweg verweigert. Was macht man mit so einem? Er sagt ja auch nicht, was sein Grund ist... Der Notar bietet Bartleby eine Abfindung an, doch auch diese verweigert er, so entscheidet der Erzähler schließlich, einfach auszuziehen und Bartleby in den Räumlichkeiten – ähnlich wie ein ausgedientes Möbel - zurückzulassen. Gesagt, getan, doch auch das hilft nicht wirklich, denn sowohl Vermieter als auch Nachmieter treten kurz darauf an ihn heran... Bartleby ist noch immer da und weigert sich zu gehen – still, leise, passiv. Auch ein weiteres Gespräch zwischen dem Notar und Bartleby führt zu keinem Ergebnis, denn dieser „möchte lieber nicht“ gehen. Nach- und Vermieter machen schließlich Nägel mit Köpfen und lassen Bartleby ins Gefängnis werfen. Dort, so erfährt der Notar, als er seinen ehemaligen Mitarbeiter, den er nun „Freund“ nennt, besucht, verweigert er sich weiterhin. Er verweigert so lange soziale Kontakte und Nahrung, bis er schließlich stirbt.

So endet die - für Melvilles Verhältnisse kurze, prägnante - Geschichte an dieser Stelle mit einem kurzen Nachsatz des Erzählers, der in „O Bartleby! O Menschheit!“ gipfelt.
So ein bisschen wie bei Kafkas Hungerkünstler, der jegliche Nahrung verweigert, weil er keine Speise finden kann, die seinen Hunger stillen könnte, hat Bartleby, durch seine, der Tätigkeit bei dem Notar vorausgegangenen Arbeit in der Sammelstelle für unzustellbare Briefe, erkannt, dass manche Botschaften, wie wertvoll sie auch sein mögen, manchmal ihre Ziele einfach gar nicht erreichen und der sich auf Grund dessen entscheidet, seinen freien Willen einfach dazu zu benutzen, sich den Menschen, die sich aktiv, hektisch und manchmal auch mit überspitzen Ellebogen um die Erreichung ihrer Ziele kümmern, passiv und verweigernd entgegen zu stellen.

Ja, Bartleby, de Schreiber kommt auf den ersten Blick ungewaltig und unpompös daher – in bezug auf die Erwaltungshaltung des geneigten Lesers, der entweder Melvilles andere Texte oder auch die Schreiberzeugnisse seiner Zeitgenossen kennt. Kein Vergleich hier zur Erzählhaltung im ausschweifigen Moby Dick, nichts Groteskes, Arabeskes oder Fantastisches. Eher der stille, leise Horror, der nachhallt, wenn man sich fragt - wahrscheinlich erst im Nachhinein, wenn man die Ernüchterung über die so sorgfältig aufgebaute und dann doch enttäuschte Erwartungsspannung verwunden hat -: „Und? Was soll mir das jetzt sagen?“

Gute Frage! Der Text ist da doch recht offen und vielseitig lesbar. Vielleicht will er mir sagen: Weiß ich, was ich will oder nur, was ich nicht will? Welche Konsequenzen ziehe ich daraus und in welche Entscheidung münden sie?

Herman Melville: Bartleby, der Schreiber. Eine Geschichte aus der Wall Street (1853).
Insel, 2004.
96 Seiten, Taschenbuch, 6 Euro.

Tanja Muhs

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