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Marcus Hammerschmitt: Pension Barbara |
„Pension Barbara“ war meine zweite Novelle aus dem Hause „Das Beben“, und nach der äußerst appetitanregenden Lektüre „Vor dem Pilzgericht“ war ich entsprechend gespannt darauf. Der Anfang macht auch hier sehr neugierig: Während seine schwangere Frau im Meckenheim-Institut Wehen hemmenden Maßnahmen über sich ergehen lassen muss, hat Felix Walter in der Pension Barbara im nahen Kesslingen schwer mit einem heftigen Kulturschock zu kämpfen. Bereits der erste Anblick der Zimmereinrichtung schlägt ihm gehörig auf das Gemüt: „Halb verdeckt von dem Schrank und einer Makramè-Scheußlichkeit, die früher einmal als Blumenampel gedient haben mochte und jetzt einfach leer und sinnlos von der Decke hing, fand ich ein unmotiviert hohes, mit Bauernmalerei verziertes Abstelltischchen (offensichtlich Eigenbau), auf dem ein Drehscheibentelefon aus den Sechzigern stand. Es war eigentlich grau, aber man hatte ihm zu Schutz und Zierde ein eng anliegendes, rotes Samtjäckchen mit goldener Bordüre verpasst, in dem es aussah wie ein winzig kleines Kind, das gleichzeitig an Verstopfung und geschmacksgestörten Eltern litt.“ Das ungezwungene Bummeln durch das verschlafene Dorf verstärkt nur den Eindruck, dass die Makramé-Ampel nicht die einzige Kesslinger Scheußlichkeit bleiben wird. Kurz darauf ist klar: Im Institut gehen merkwürdige Dinge vor sich. Da kann der Leiter Meckenheim noch so viel von verwunderlichen Eigenschaften des Axolotl-Tierchens erzählen, das bei Zugabe von Jod im Larvenstadium munter aus dem Wasser ans Land auswandert - dass etwas im Busch ist, kann man meilenweit riechen. Somit ist die unheimliche Atmosphäre eines verschlafenen Örtchens im Nu erschaffen. Doch die Substanz der Grundidee geht schnell verloren. Prompt müssen Teufelsmalereien in der hiesigen Kapelle, eine Fast-Affäre mit einer fleischgewordenen Versuchung, ein verlassener Bunker, Legenden über das verschollene Nazi-Gold und der Fund einer Pistole für weitere Spannungspunkte sorgen. Da fragt man sich als Leser, was diese Geschichte eigentlich erzählen will, und genauso wie die Handlung selbst verflüssigt sich leider auch der ansprechende Stil der Novelle.
Die Figuren verleiten einen buchstäblich dazu, eigene Kenntnisse der Küchenpsychologie hervorzukramen und sich an psychologischen Gutachten zu versuchen. Während Katharina Walters Stimmungsschwankungen noch mit dem Hormonhaushalt einer Schwangeren zu erklären sind, fragt man sich zunehmend, was dem infantilen Verhalten ihres Mannes Felix zu Grunde liegt. Jede Konversation stellt für ihn einen Kampf dar, den es unbedingt zu gewinnen gilt, sogar dann, wenn es um das simple Ausleihen eines Wasserkochers geht. Allen Menschen begegnet er mit einer schon fast vorprogrammierten Ablehnung (die in der Novelle einzige Ausnahme bestätigt dabei die Regel), und so manche Handlung würde man eher einem Pubertierenden als einem erwachsenen Mann zuschreiben.
Alles in Allem zeigt „Pension Barbara“ sehr interessante Ansätze, und, mag man über die Schwächen hinwegsehen, stellt die Novelle auch eine sehr nette Zwischendurchlektüre dar, doch handlungstechnische und sprachliche Dichte sucht man hier vergebens.
Marcus Hammerschmitt: Pension Barbara.
Verlag das Beben, August 2013.
147 Seiten, eBook, 3,49 Euro.
Olga A. Krouk
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