Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Ines Thorn schildert dem Leser die wichtigsten Stationen im Leben des Malers Matthias Grünewald. Bereits bei seiner Geburt mehren sich die schlechten Zeichen, eigentlich soll er kein Künstler werden, aber die Kunst findet ihren eigenen Weg. Matthias kann von den Farben und vom Holz nicht lassen und er kann damit viel Sinnvolles anfangen. Dabei ist sein Weg immer ein gerader, nur eben nicht gerade im Sinne seiner Umwelt, die das Ziel in Ruhm oder Reichtum sucht. Er hat sein eigenes Ziel: ein Werk zu schaffen, das wirklich darstellt, wie Gottes Schöpfungen und Wege aussehen. Die Werke seiner Zeitgenossen, auch diejenigen, die als genial gelten, erscheinen ihm flach und unvollständig, er will mehr, er will Realität in dem Sinne, dass der Betrachter seiner Bilder fühlen kann, was die dargestellten Personen fühlten. Davon lässt er sich durch nichts und niemanden abbringen, weder durch die Kunstansichten seiner Zeit noch durch seine Liebe zu Magdalena. Selbst sie muss hinter der Liebe zur Kunst zurückstehen.
Am meisten beeindruckt hat mich an diesem Buch der Einblick in die entfesselte Künstlerseele Matthias Grünewalds. Zwischen den Buchstaben ist seine verzweifelte Suche nach dem perfekten, nach dem Gott-gerechten deutlich zu fühlen. Nicht nur durch den symbolträchtigen Anfang ahnt man, dass das eigentlich nicht gut gehen kann. Dass der Maler daran zerbrechen muss. Seine Umgebung hasst ihn: Er malt. Seine Frau wird wahnsinnig: Er malt. Geliebte und Kind sterben: Er malt. Die Bauernaufstände finden um ihn herum statt: Er malt. Und der Leser versteht ihn. Die Autorin gestattet einen gelungenen Einblick in seine Besessenheit, die keine Grenzen und kaum Freundschaften kennt.
Der ganze Roman ist im Präsens gehalten, recht ungewöhnlich aber in diesem Fall kaum gewöhnungsbedürftig. Im Gegenteil, es schafft eine wunderbare Nähe zu Matthias und seinen Beweggründen. Man fühlt mit ihm die Unzulänglichkeit, die er empfindet. Die Überforderung und gleichzeitig das Wissen: Ich kann es irgendwann, ich muss es irgendwann.
Eine wunderschöne Biografie eines großen deutschen Künstlers.
Ines Thorn: Der Maler Gottes.
Knaur, Dezember 2007.
296 Seiten, Taschenbuch, 7,95 Euro.