London, 1888: Im Alter von sechs Jahren wird bei der kleinen Annabel ein Herzleiden diagnostiziert. Als wĂ€re ihr Leben nicht schon schwer genug! Von der Mutter verstoĂen, lebt sie auf dem Friedhof bei ihrem Onkel Tom und dessen Frau Heather. WĂ€hrend sie freundlich zu Annabel ist, nutzt er jede Gelegenheit, um sie zu schikanieren. Nur einen Sarg hat sie als SchlafstĂ€tte. Und doch ist dieses MĂ€dchen etwas ganz Besonderes. Sie kann Geister sehen und wird deshalb von ihrem Onkel erst fĂŒr verrĂŒckt gehalten. Dann erkennt er, dass man mit diesem Aberglauben und Hokuspokus Geld machen kann. Er lĂ€dt Menschen auf die Friedhof ein, fĂŒr die Annabel mit den Geistern der Verstorbenen Kontakt aufnehmen soll.
âDas FlĂŒstern der Seelenâ lĂ€sst sich nicht in einem Satz beschreiben. Dieser Roman steckt voller verschiedenster Geschichten, die alle mit Annabel zusammenhĂ€ngen. Es gibt natĂŒrlich eine Liebesgeschichte, die keineswegs zu kurz kommt. Annabel verliebt sich Hals ĂŒber Kopf in den Geist von Victor Rosenfield, der ihr bereits in jungen Jahren in einer brenzligen Situation hilft. Jahre spĂ€ter ist sie zu einem der gefragtesten Medien Londons geworden, selbst die Königin hat ihre Dienste bereits in Anspruch genommen. Das ruft allerdings nicht nur die Liebe auf den Plan, sondern auch Scotland Yard. Da sie die Tochter eines der vermuteten Opfer von Jack the Ripper ist, gilt ihr plötzlich mehr Aufmerksamkeit, als ihr lieb ist.
Victoria Ălvarez strickt einen tollen Roman, der bei gut 550 Seiten natĂŒrlich so seinen LĂ€ngen hat, aber trotzdem ĂŒberzeugend rĂŒberkommt. Zwischen Romanze, Mystik und Kriminal schlĂ€ngelt sie sich einen spannenden, manchmal auch romantischen Weg zu einem packenden Finale. Besonders gelungen sind hierbei die Figuren. Meistens wird mit Blick auf Annabel berichtet, selten auch von Nathan, einem Jungen, den sie bereits in ihrer Kindheit kennen gelernt hat und dessen Wege ihre im Erwachsenenalter erneut kreuzen. Neben diesen beiden Charakteren treten vor allem Heather, Annabels Tante, Ada, ihre SchĂŒlerin und Victor, der Geist Lord Rosenfields auf. Sie alle haben ihre Ecken und Kanten, liebenswerte, aber auch verabscheuungswĂŒrdige ZĂŒge. Selten lĂ€sst sich eine Figur in die vorgefertigten âGutâ und âBöseâ Kategorien stecken.
Mystery-Fans mit dem Hang zur Romantik sollte dieser Roman viel Freude bereiten. Ein vielversprechendes DebĂŒt!
Victoria Ălvarez: Das FlĂŒstern der Seelen.
Bastei LĂŒbbe, MĂ€rz 2014.
560 Seiten, Taschenbuch 9,99 Euro.