Peter Hogart ist ein verbitterter Einzelgänger. Nachdem seine Freundin Eve ihn wegen eines Coca-Cola Managers verlassen hat, hat sich der in Wien beheimatete Freelancer noch mehr von seiner Umgebung zurückgezogen. Knapp über 40 Jahre alt, hängt ihm immer noch ein alter Fehler nach. Dennoch gehört er nach wie vor zu den besten Privatdetektiven seiner Zunft. Als in Prag scheinbar alle dreizehn Ölgemälde der Abendmahl-Serie Oktavian Köhlers einem Brand in der Nationalgalerie zum Opfer fallen, droht dem Versicherer Medeen & Lloyd eine Zahlung von jeweils 7 Millionen Euro. Kein Wunder, dass der Versicherungskonzern eine Ermittlerin nach Prag entsendet, um die näheren Umstände des Brandes zu untersuchen. Im letzten Telefonat teilt die Versicherungsdetektivin mit, dass sie den Fall gelöst, die Gemälde gefunden hat, dann bricht der Kontakt abrupt ab. Hogart wird in die goldene Stadt an der Moldau entsandt, der Verschwundenen und den Bildern nachzuspüren, und trifft zunächst auf eine eisige Mauer des Schweigens. Von der Presse totgeschwiegen, die polizeilichen Ermittlungen verlaufen im Sande, geht in Prag ein Serienkiller um. Jeden Monat wird ein Mensch ermordet. Seiner Hände und des Kopfes beraubt findet man den Torso mit auf der Brust eingeritzten Buchstaben. Zusammen mit einer ortsansässigen Detektivin macht sich Hogart auf die Suche nach dem oder den Tätern - und sticht in ein Wespennest. Spuren führen zum organisierten Verbrechen, in die Deutschen Botschaft, in alte Filmstudios und in die Schachspielszene ...
Andreas Gruber zählt zu den talentiertesten phantastischen Erzählern deutscher Zunge. Um so überraschender, dass er mit der Schwarzen Dame einen Plot vorlegt, der keinerlei phantastische Züge aufweist. Statt Gespenster oder dunkles Grauen erwartet den Leser ein lupenreiner Thriller. Das soll nun aber beileibe nicht heissen, dass das Buch nicht zu faszinieren wüsste. Mit viel Gespür für die Stimmung des Prager Gettos, mit Reminiszenzen an alte schwarz-weiss Filme und an Gustav Meyrinks Golem berichtet der Autor uns von der Jagd nach dem mysteriösen Täter und dessen Motivation. Dabei gelingt es Gruber seine Leser förmlich an die Seiten zu bannen. Geschickt baut er Spannung durch die behutsame Zeichnung seiner Gestalten auf, die allesamt ihr Päcklein an Leid und Schuld mit sich herumtragen. Im Verlauf der Handlung erfahren wir mehr aus deren persönlichen Schicksalen, von ihren wohl gehüteten Geheimnissen. So offenbaren sich immer neue Facetten ihres Charakters, kann ihr jeweiliges Verhalten bedingt durch ihre persönliche Historie nachvollzogen werden. Ohne falsches Pathos spricht der Autor hier deutlich Problembereiche wie Kindesmissbrauch an, thematisiert die Ausbeutung der osteuropäischen Menschen durch Schlepperorganisationen, oder die Verelendung der ärmeren Bevölkerungsschichten. Mit grosse Sachkenntnis lässt er ein Prag auferstehen, das das Touristenviertel des ehemaligen jüdischen Gettos ebenso umfasst wie die Königsburg oder die tristen Betonwüsten kommunistischer Plattenbauten.
Die Jagd nach der Auflösung des Verbrechens in dessen Verlauf sich Figuren plötzlich und unerwartet in ihrer Bedeutung drehen, in der aus Honoratioren Verbrecher und aus Verbrechern Opfer werden überzeugt in seiner Ausarbeitung, bietet spannende, temporeiche Unterhaltung, die ihren Leser an die Seiten zu bannen weiss.
Andreas Gruber: Schwarze Dame.
Festa-Verlag, November 2007.
271 Seiten, Taschenbuch, 13,95 Euro.