Der Leser erfährt nie mehr, als der Schornsteinfeger weiß und das ist nicht viel und meist nicht die Wahrheit. Er erlebt das Staunen des Römers über die Wiener Sitten und Gebräuche ebenso unmittelbar wie das Entsetzen, als um ihn herum Studenten und Freunde scheinbar wahllos ermordet werden. Genau wie er meint der Leser, den Grund für die Morde zu kennen und genau wie er verirrt er sich im Strickmuster politischer Intrigen. Die Autoren meistern die Kunst, einen Roman in der Sprache es einfachen Mannes des Jahres 1711 zu schreiben, perfekt, die Ich-Perspektive ist hier sehr riskant, aber gut und unterhaltsam umgesetzt. Ich hätte es vorher nicht geglaubt, aber eine Aufzählung der Wiener Berufsstände über eine halbe Seite kann wirklich witzig sein. Der Leser sieht durch die Augen des Fremden auf die Stadt und staunt mit ihm über die ihm seltsam vorkommenden Gewohnheiten und Menschen. Alles ist neu und ungewohnt für ihn und er reflektiert das in unnachahmlicher Weise auf den lesenden Betrachter. Das ist die eigentliche Stärke dieses Romans – noch viel mehr als die Geschichte, die ein bisschen ein Krimi und ein bisschen historischer Roman und ein bisschen Politthriller ist. Leider lässt das Buch am Ende deutlich nach; auf den letzten hundert Seiten gibt es zu viel Nacherklärung, die vermutlich nur Historiker und Verschwörungstheoretiker wirklich zu begeistern vermag.
Wirklich herausragend ist in diesem Fall übrigens die äußere Ausstattung des Buches. Karten im Einband sind ja inzwischen üblich, aber hier finden sich auch einige Faksimiles oder zumindest wirken sie wie die Nachbildung von echten Dokumenten. Hier ein Flugblatt, da ein Zeitungsausschnitt liebevoll in den Text eingefügt.
Das Buch ist in Sprache und Machart ungewöhnlich, aber zweifellos spannend und zu empfehlen.