Durchaus ernst gemeint: Wer sich dieses Buch zulegt, sollte sich auf dem Weg nach Hause gleich nach einem gutsortierten Marzipanhändler umsehen! 1870 erbt Marie Kröger in Lübeck die familieneigene Marzipanmanufaktur. Es dauert noch ein Jahr, bis sie erkennt, dass es mehr braucht, als nur die verwöhnte Tochter des alten Kröger zu sein, um den Betrieb zu erhalten. Dann aber stürzt sie sich voller Elan in die Aufgabe und – der Leser erfährt es schon im Prolog – die Marzipanfabrikation wird weitergehen.
Marie Kröger ist eine Tochter aus gutbürgerlichem Haus, aber zum Nutzen der Fabrik und ihrer Mitarbeiter geht sie immer wieder ungewöhnliche Wege. Es ist nicht nur das einmalige, geheime Rezept des krögerschen Marzipans, das den Verkauf unter ihrer Leitung so erfolgreich macht, sondern auch ihre Art, Mitarbeiter an ungewöhnlichen Orten zu finden und sie zu einem Teil der Manufaktur zu machen. Sie knüpft auf den ersten Blick bizarr wirkende Kontakte, führt Neuerungen nach sorgfältiger Prüfung ein und kann sich so geschäftlich durchsetzen. Einzig im Privatleben bleibt ihr der Erfolg versagt. Durch ein Missverständnis verliert sie den Mann, den sie liebt, und heiratet nur wenig später mehr mit dem Verstand als mit dem Herzen. Die Ehe ist nicht unglücklich, aber durch die frühe Krankheit und den Tod ihres Mannes nur kurz.
Stellenweise erscheint Marie ein klein wenig zu modern, aber es waren Jahre des Umbruchs in Deutschland und die Autorin überschreitet nie die Grenze zum Unglaubwürdigen. Was die Autorin über die Kaufmannsgilden und Handelsgeschäfte schreibt, ist lebendig und glaubhaft. Sogar, dass Marie anfängt, sich für die Reden und Taten der neugegründeten Sozialisten und Gewerkschaftler zu interessieren, ist nachvollziehbar. Mir persönlich hat in diesem Roman ein tieferer Einblick in die Geschichte gefehlt.Leider wird das Thema Arbeiterbewegung kaum mehr als angerissen und für meinen Geschmack viel zu früh beendet.
Dafür konnte ich die lecker klingenden, fantasievollen Marzipankreationen des Hauses Kröger fast schmecken. Wie gesagt – man bekommt Appetit beim Lesen.
Lena Johannson: Das Marzipanmädchen.
Knaur, Dezember 2007.
440 Seiten, Taschenbuch, 7,95 Euro.