Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
Wir schreiben das Jahr des Herren 1727. London und das eigenständige Southwalk warten, nach dem Ableben König George I. auf die Krönung seines Sohnes George II. zum Herrscher über das Britische Reich. Die Wirtschaftskrise, die nach dem Zusammenbruch der South Side Company 1720 die Metropole erfasst hat, hat ihre Spuren hinterlassen – Not, Leid und Armut all überall. So greifen Unzucht und Verbrechen, der Not folgend um sich, die Pest wütet und wiegelt die Massen weiter auf.
Tom Hawkins kennt sich in der Niederungen des Lebens aus. Einst studierte er in Oxford Theologie, sollte seinem puritanischen Vater als Pfarrer nachfolgen.
Die Verlockungen des Lebens und seine intrigante Stiefmutter wussten dies zu verhindern. Seitdem taumelt er im Alkoholrausch als Gentleman durchs Leben, vergnügt sich beim Spiel und mit den lockeren Weibern – bis er seine Schulden nicht mehr begleichen kann und im berüchtigtem Marshalsea-Gefängnis landet.
Zwar findet er zunächst, dank einem treuen Freund, der ihm zumindest einige Guineen zusteckt noch Aufnahme auf der Master´s Side, wo man für Geld so gut wie Alles bis auf die Freiheit kaufen kann, doch sobald das wenige Geld über das er noch verfügt aufgebraucht ist, droht auch ihm die Abschiebung auf die Common Side und damit der schnelle, schmerzhafte Tot.
Während sich sein Beutel schnell leert, er den despotischen Gefängnisdirektor und dessen Gehilfen kennen und fürchten lernt ahnt er, dass die Zeit gegen ihn läuft. Nur wenn es ihm gelingt, schnell gelingt den scheinbaren Selbstmord eines Gefängnisinsassen aufzuklären, kann er dem Marshalsea entkommen – doch gut stehen seine Chancen dabei nicht.
Zudem wurde er ausgerechnet mit dem undurchsichtigen Samuel Fleet als Zimmergenossen zusammengelegt – einem Mann, den Jeder im Marshalsea, selbst der Direktor fürchtet und der wie der Direktor des Gefängnisses selbst ganz oben auf der Liste der Verdächtigten für den Mord steht …
Die mir bislang unbekannte Antonia Hodgson hat mit dem Werk um die Erlebnisse eines Lebensmannes im Schuldgefängnis ein lebendiges Stück Geschichte vorgelegt. Man merkt schon im Vorwort, wie genau und intensiv die Autorin recherchiert hat, um ihren Leser einen ungeschönten, so manches Mal brutal realistischen Einblick in das Leben im Achtzehnten Jahrhundert zu geben.
Das beginnt bei Äußerlichkeiten, etwa der unterschiedlichen Kleidung der Personen und Stände, geht über die Beschreibung der Straßen und Viertel weiter bis hin zum Darstellung des Lebens in und außerhalb der Gefängnismauern. Und auch die Sprache, die sie ihren Figuren in den Mund legt, so vulgär und derb wie sie daherkommt entspricht den Tatsachen, von dem Fraß, das den Gefangene kredenzt wird, wollen wir einmal gar nicht sprechen. So atmet der Roman ein gehöriges Maß an Authentizität, die uns mühelos in ihre Bann zieht.
Dazu gesellt sich natürlich die Suche nach dem Mörder, die für die notwendige Spannung sorgt. Und die angesichts der drohenden Abschiebung auf die Common Side drängende Suche nach dem Mörder erweist sich als Pageturner. Die auftretenden markanten Figuren prägen hierbei das Werk. Neben den Hauptfiguren – Hawkins, Fleet und den Gefängnisdirektor – sind auch die Nebenrollen bestens besetzt. Das sind allesamt griffige, faszinierende Charaktere, die ihre Geheimnisse und Schrullen haben, die uns ob ihrer alltäglichen Brutalität schocken und die doch verletzlich gezeichnet werden.
So ist dies ein Buch, das sich nicht nur mühelos und flüssig lesen lässt, sondern uns auch einen authentischen Blick durch ein Fenster auf eine andere, frühere Zeit ermöglicht und packend unterhält.
Antonia Hodgson: Das Teufelsloch.
Knaur, August 2014.
496 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.