Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespĂŒrt.
Olga Grjasnowa: Die juristische UnschÀrfe einer Ehe
Die 25-jĂ€hrige Ballerina Leyla erlebt in Baku ihre Stunde âNullâ. Eben hat sie noch mit den gelangweilten Söhnen und Töchtern der Superreichen Partys gefeiert und ist mit ihnen private Rennen gefahren, bei denen auch schon einmal jemand sein Leben verlor, und nun sitzt sie im Verhörzimmer der Polizei, wo sie der handfesten Befragung ausgesetzt ist. Mit Schmerzen kennt sich Leyla aus. Wer wie sie von klein auf Ballett tanzt, hat den Schmerz in seinem Leben angenommen, bis er wie das Atmen dazugehört. Die Schmerzen bei der Misshandlung sind jedoch andere, völlig neue. Nachdem ihr Mann Altay die richtigen Beamten bestochen hat, wird Leyla freigelassen. Doch die Familie bietet keinen langanhaltenden Schutz. Leyla muss mit ihrer Geliebten verschwinden. Die Liebe und ein intensiv gelebtes Leben sind auf dieser Reise genau so zu ĂŒberdenken wie das Arrangement ihrer Ehe mit Altay.
Die mit Preisen ausgezeichnete Autorin Olga Grjasnowa, geboren 1984 in Baku, hat in ihrem zweiten Roman nicht nur die Geschichte einer Dreiecksbeziehung erzÀhlt, sondern auch den Alltag in ihrer Heimat in eine prÀzise Sprache gegossen. Die Geschichte beginnt mit Leylas Trauma im GefÀngnis von Baku. Dieser Auftakt teilt nicht nur den Roman sondern auch Leylas Leben in ein vorher und ein nachher.
Im ersten Teil leben Leyla und Altay in Moskau, als sie beschlieĂen zu heiraten. FĂŒr beide ist es keine Liebesheirat sondern ein Schutzschild. Neugierige Fragen zu ihren sexuellen Vorlieben bzw. die Gefahr strafrechtlich verfolgt zu werden, wollen beide nicht riskieren. In Berlin finden sie schlieĂlich die Freiheit, die sie sich gewĂŒnscht haben. Leyla tanzt wieder Ballett, Altay arbeitet als Psychiater und als Dritte im Bunde zieht Leylas neue Geliebte in die gemeinsame Wohnung. Doch dann katapultiert ein Unfall Leyla in die Krise. Sie flĂŒchtet nach Baku.
Der zweite Teil beginnt nach der Stunde âNullâ und befasst sich unter anderem mit Leylas Reise zu den eigenen Wurzeln, wĂ€hrend ihre Familie in Baku Dinge zu ordnen versucht, die nicht zu ordnen sind.
Sprachlich gekonnt fĂŒhrt die Autorin den Leser in die Welt eines Paares, das mit vielen Besonderheiten und interessanten Charakteren aufwartet. Ihre gröĂte Kunst besteht darin, komplexe Themen spannend und zugleich feinfĂŒhlig zu erzĂ€hlen. Fazit: eine bereichernde LektĂŒre, die immer wieder ĂŒberrascht.
Olga Grjasnowa: Die juristische UnschÀrfe einer Ehe.
Hanser, August 2014.
272 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,90 Euro.