Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
Island, 1828: Agnes Magnúsdóttir ist zum Tode verurteilt. Sie steht unter dem Verdacht, ihren Herren Natan Ketilsson gemeinsam mit dessen anderer Magd und ihrem Verlobten umgebracht zu haben. Bis zur Vollstreckung der Strafe muss sie auf den Höfen im Umkreis untergebracht werden und braucht außerdem den Beistand eines Pfarrers. Als es mit ihrer Unterbringung erneut Probleme gibt, landet sie auf dem Kornsáhof bei einer kleinen Bauernfamilie, die ihr zum größten Teil sehr feindlich gegenübersteht. Doch die Mutter Margret erkennt nach und nach, dass mehr hinter dieser Geschichte stecken könnte, als auf den ersten Blick offensichtlich wird.
Hannah Kents Geschichte ist keine leichte Kost. Jahrelang hat sie vor Ort zu dem Schicksal von Agnes recherchiert und packt ihre Ergebnisse nun in einen Roman, der nicht immer spannend ist, aber absolut lesenswert. Ja, vor allem zu Beginn, etwa im ersten Drittel des Romans, passiert nicht wirklich viel. Agnes bekommt die Feindschaft der Familienmitglieder zu spüren, aber auch das Interesse einer der Töchter, die von Anfang an nicht recht an Agnes Schuld und ihre angeblich verdorbene Art glauben will. Als Leserin oder Leser ist man ebenfalls zwiegespalten, vor allem weil man immer wieder Einblicke in Agnes‘ eigenes Erleben erhält und sich mit ihr auseinandersetzen muss.
Schon früh wurde Agnes von ihrer Mutter verlassen und musste sich allein durchschlagen. Sie ist Rückschläge gewöhnt und eine selbstständige Frau. Sie weiß, was es heißt, ums eigene Überleben zu fürchten und kämpfen zu müssen. Dienen ist sie gewohnt, ist dabei aber auch sehr schlau und kann gut kombinieren. Sie macht sich bezüglich ihres Schicksals nichts vor. Sie wird das Todesurteil für sich annehmen müssen. Und doch spürt man einen winzigen Funken Hoffnung in ihr, dass das Unheil an ihr vorübergeht und sie vielleicht gar nicht an den Morden beteiligt war. Und dieser Funke bestimmt die zweite Hälfte des Romans, die sich zunehmend fesselnd entwickelt und zeigt, was die Autorin wirklich kann.
Nach schwierigem Start ein äußerst lesenswertes Buch!
Hannah Kent: Das Seelenhaus.
Droemer, August 2014.
384 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.