Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespĂŒrt.
Der junge Paul, genannt Polo, durchlÀuft die Höhen und Tiefen der Adoleszenz.
Er wĂ€chst in Ă€rmlichen VerhĂ€ltnissen auf. Seine Mutter ist seit einem Unfall ans Bett gefesselt. Seine Schwester, die nicht eben mit hoher Intelligenz gesegnet ist, konzentriert ihr Leben auf Schönheitswettbewerbe, an denen sie in bestĂ€ndiger RegelmĂ€Ăigkeit erfolglos teilnimmt. Der Vater putzt in einer Reinigungsfirma und Polo begleitet ihn hĂ€ufig bei den nĂ€chtlichen PutzeinsĂ€tzen.
Die Wohnung der Familie liegt in einem Pariser Vorort, in dem ĂŒberwiegend Araberfamilien wohnen.
- Alles in allem also nicht unbedingt die besten Voraussetzungen fĂŒr eine glĂŒckliche, unbeschwerte Jugend.
Doch die Vater-Sohn-Beziehung stimmt und ist von gegenseitigem EinfĂŒhlungsvermögen geprĂ€gt. Trotz dass Polo die meist sehr derben Argumente des Vaters und seine unter der GĂŒrtellinie liegenden Witze hĂ€ufig peinlich sind, hat das vĂ€terliche Wort eine starke Gewichtung fĂŒr ihn.
Polo hasst ObszönitĂ€ten regelrecht, obwohl Unterhaltungen in dieser Form innerhalbs der Familiensippe an der Tagesordnung stehen. Polo setzt alles daran, sich davon zu distanzieren. Je schlĂŒpfriger die GesprĂ€che von den anderen sind, desto mehr hat er das Bestreben einen besseren Status zu erlangen.
So oft sich ihm die Gelegenheit bietet, liest Polo wĂ€hrend den nĂ€chtlichen PutzeinsĂ€tzen in der Bibliothek Balzac, Zola, Kundera, Borges, Bergerac oder Flaubert und suhlt sich in den Zeilen der groĂen Literaten.
Durch seine Belesenheit kann er bei Priscilla, seiner Angebeteten punkten. Weiteres Interesse an ihm scheint Priscilla nicht zu haben.
Dabei hĂ€tte Polo so gern eine Freundin. Doch das ist nicht sein einziges Problem. Bei sportlichen WettkĂ€mpfen ist er immmer der Letzte, der in eine Mannschaft gewĂ€hlt wird. Auch mit seinen einfachen Billigklamotten kann er mit den MitschĂŒlern nicht gleichziehen. Und die Schulferien, wenn alle anderen ans Meer fahren, verbringt Polo zu Hause in seiner Siedlung.
Zum GlĂŒck ist der Vater fĂŒr Polo ein bestĂ€ndiger, unkomplizierter Ansprechpartner fĂŒr seine seelischen Nöte. Der Vater gibt ihm mit simplen Argumenten Trost bei all seinen Minderwertigkeitskomplexen.
Eine durch und durch witzig geschriebene Geschichte mit teils kerniger Umgangssprache, die aber die AuthenzitÀt des Protagonisten treffend untermauert.
Saphia Azzeddine: Mein Vater ist Putzfrau.
Verlag Klaus Wagenbach, Januar 2015.
128 Seiten, Taschenbuch, 14,90 Euro.