Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Dieses Buch ist ein besonderes Bonbon. Es handelt sich um den ersten Roman von Andrea Schacht, der 1994 in einer kleinen Auflage erschienen ist. Nach einer geringfügigen Überarbeitung ist er seit Dezember 2007 wieder zu haben.
Dass sie Autorin wurde, so kann man auf ihrer Website nachlesen, ist indirekt einer Hotelkatze zu verdanken. Andrea Schacht sann darüber nach, was dieses Tier wohl den ganzen Tag über anstellt.
Zu Katzen hat die Autorin ein besonderes Verhältnis. Sie hat nicht nur zahlreiche Katzengeschichten geschrieben, sondern lässt auch in jedem ihrer anderen Werke eine kleine Samtpfote auftreten.
Zum Inhalt:
Auf dem Heimweg von der Arbeit findet Anne ihren Kater Tiger angefahren auf der Straße. Der Tierarzt kann nichts mehr für ihn tun, also nimmt Anne ihren kleinen Freund mit nach Hause, bettet ihn auf das Sofa und legt sich zu ihm, bis sie einnickt. Dort erwacht sie – und findet sich im Körper einer Katze wieder. Tiger, putzmunter, steht in den Startlöchern für seine Revierbegehung, und Anne soll mitkommen. An Tigers Seite darf sie an einem typischen, sehr aufregenden Tigertag teilnehmen, anderen Katzen begegnen, Revierkämpfe ausfechten und zum Schluss ein gefährliches Abenteuer erleben.
Gleich vorweg: eine wundersame Katzenrettung gibt es nicht, am Ende zieht Tiger in die goldenen Steppen ein. Wer Katzen liebt, wird mehrere Packungen Taschentücher verbrauchen. Und doch – obwohl mal als Leser mitleiden muss, kann man das Buch nur als absolut bezaubernd bezeichnen. Andrea Schacht gelingt es überzeugend, sich in die Katzen einzufühlen und Erklärungen für manche ihrer Rituale zu finden, die uns Menschen Rätsel aufgeben. Auch die Unbeholfenenheit von Anne in ihrem fremden Körper und wie sie langsam lernt, damit umzugehen, ist spannend und teilweise sehr lustig dargestellt, vor allem in den Streitgesprächen mit Tiger. Dazu geht die Autorein noch auf aktuelle Themen wie Gewalt und Intoleranz ein, aber ohne erhobenen Zeigefinger.
Sprachlich ist der Roman auf einem hohen Niveau für einen „Erstling“. Natürlich hat Andrea Schacht sich weiterentwickelt seit 1994, aber ihr Talent, mit der Sprache umzugehen und besonders ihre witzigen Dialoge machen das Buch zu einer angenehmen Lektüre ohne Stolperstellen. Der Spannungsbogen ist gelungen, die Figuren gut gezeichnet.
Ich finde, auch Leute, die keine Katzen mögen, sollten es lesen. Vielleicht verstehen sie dann uns Katzenfreunde etwas besser.
Andrea Schacht: Der Tag mit Tiger.
Aufbau Taschenbuch Verlag, Dezember 2007.
176 Seiten, Taschenbuch, 7,95 Euro.