Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Die Stockholmer Kommissarin Jeanette Kihlberg ermittelt in einer grausamen Serie von Morden an Jungen, deren mumifizierte Leichen schwerste Verletzungen aufweisen. Als ein bekannter GeschÀftsmann auf bestialische Weise abgeschlachtet wird, legt ihr Vorgesetzter Polizeichef Billing die Ermittlungen auf Eis. Die Indizien im Fall des ermordeten GeschÀftsmannes deuten auf einen Mord aus Rache.
Die Psychologin Sofia Zetterlund, die mit Jeanette ein VerhÀltnis begonnen hat, soll ein TÀterprofil erstellen. Dabei erlebt sie immer hÀufiger Bewusstseinsstörungen und erkennt, dass sie selbst unter einer dissoziativen IdentitÀtsstörung leidet. Ihre Patientin Victoria Bergmann, die als Kind von ihrem eigenen Vater missbraucht worden und vor zwanzig Jahren verschwunden ist, kristallisiert sich als eine Teilpersönlichkeit Sofias heraus.
WÀhrend Sofia versucht, Zugang zu den Erinnerungen Victoria Bergmanns zu erlangen, findet Jeanette heraus, dass Victorias IdentitÀt vor zwanzig Jahren gerichtlich ausgelöscht worden ist und sie den Namen ihrer damaligen Therapeutin Sofia Zetterlund angenommen hat.
WĂ€hrend Jeanette und ihre Kollegen immer gröĂere Teile eines perfiden Netzwerks von PĂ€dophilen aufdecken, verliert Sofia immer mehr die Kontrolle ĂŒber sich. Hat ihre Teilpersönlichkeit Victoria Bergmann die Morde begangen oder ist Victoria nur Opfer einer groĂangelegten Verschwörung?
Erik Axl Sund ist das Pseudonym des schwedischen Autorenduos Jerker Eriksson und HĂ„kan Axlander Sundquist. FĂŒr ihre Victoria-Bergman-Trilogie wurden sie mit dem Special Award der Schwedischen Krimiakademie ausgezeichnet. âNarbenkindâ ist der zweite Band der Reihe.
Das bekannte Problem der mittleren Romane von Trilogien ist ja, dass sie einerseits den Leser bei der Stange halten, aber andererseits so viel von der Geschichte ĂŒbrig lassen sollen, dass der Leser den dritten und letzten Band noch zur Hand nehmen möchte. Diese zweiten BĂ€nde ziehen sich beim Lesen oft quĂ€lend in die LĂ€nge, weil die Handlung gestreckt werden muss. Eriksson und Sundquist gelingt mit âNarbenkindâ so etwas wie die Quadratur des Kreises.
Die Autoren ziehen in Band zwei der Victoria-Bergmann-Trilogie das schon rasante Tempo des ersten Romans noch weiter an. Atemlos verfolgt der Leser die unerwarteten und mitunter verwirrenden Wendungen der Geschichte. Die beiden authentischen und vielschichtigen Protagonistinnen Sofia Zetterlund und Jeanette Kihlberg lassen die mÀnnlichen Figuren in diesem Roman weit hinter sich. Besonders Sofia entwickelt sich immer mehr zu einer extrem komplexen Figur mit faszinierenden Facetten.
Wer ĂŒber die Finten und Volten der Geschichte den Ăberblick zu verlieren droht: Keine Sorge. Im dritten Teil wird alles restlos aufgeklĂ€rt.
Fazit: Extrem tempo- und wendungsreicher Thriller mit zwei vielschichtigen und faszinierenden Protagonistinnen. FĂŒr mich der beste Band der Trilogie.
Erik Axl Sund: Narbenkind.
Goldmann, September 2014.
512 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.