Wendy Lower: Hitlers Helferinnen: Deutsche Frauen im Holocaust
Mal drĂŒber nachdenken: Welches Bild haben wir von Deutschen Frauen wĂ€hrend des Nationalsozialismus? Sportlich? Wanderndes BDM-MĂ€del? Magda Göbbels in ihrem Wahn? Die ausharrende Ehefrau und Mutter, die inmitten von Bombenhagel Weihnachten feiern? War das Nazireich ausschlieĂlich ein MĂ€nnerreich, in dem nur bekannte, reiche Frauen wie Winifried Wagner ĂŒberhaupt eine Meinung hatten? Wendy Lower, Professorin fĂŒr Geschichte, ist dieser Frage nachgegangen.
Sie hat gefragt, was war mit all den kleinen RĂ€dchen im Getriebe? Mit den Frauen, die im Ersten Weltkrieg die PlĂ€tze ihrer MĂ€nner einnehmen mussten und dann plötzlich wieder ins berufliche Aus gestellt wurden - oder mit ihren Töchtern? Frauen begannen in dieser Zeit und kurz vorher erst ihre ersten Schritte in die Angestellten-VerhĂ€ltnisse, aber es gab sie und es waren nicht wenige. Es gab SekretĂ€rinnen, Krankenschwestern, Verwaltungsangestellte, KZ-Aufseherinnen. Ihre Geschichte ist noch nicht groĂflĂ€chig untersucht worden. In diesem Buch hat Wendy Lower exemplarisch die Geschichte von vier Frauen betrachtet, die nachweislich schuldig waren. Sie hat sie aus der Opferrolle der mitlaufenden und mitleidenden Frau herausgezogen und ihre TĂ€terrolle nachvollzogen, anhand von Augenzeugenberichten und Dokumenten. Sie hat dafĂŒr neu zugĂ€ngliche, russische Quellen benutzt und damit quasi neu geforscht.
Allerdings beschrĂ€nkt sie sich in ihrer Darstellung auf die Generalisierung der vier vorgestellten Beispiele. Zum Teil ist das nachvollziehbar, wie bei der Krankenschwester, zum Teil aber eben auch nicht, wie bei der Frau, die aus einfachen VerhĂ€ltnissen kam und plötzlich Gutsherrin im Osten war. Zwar tat sich gerade diese Frau durch besonders sinnlose BrutalitĂ€t hervor und konnte sich nicht einmal auf ausgefĂŒhrte Anweisungen berufen, aber wie viele Frauen aus armen VerhĂ€ltnissen mag es gegeben haben: Zwar ist klar, warum Lower genau diese Geschichte heranzieht: weil der weitere Weg und spĂ€tere Aussagen gut dokumentiert sind, aber es bleibt doch eben das GefĂŒhl zurĂŒck, dass Generalisierung von Einzelbeispielen problematisch ist.
Entgegen dem Hype, der um dieses Buch gemacht wurde, ist es ĂŒbrigens nicht das erste, dass sich mit der Rolle der Frau im Naziolalsozialismus auĂerhalb von Prominenten und Opferfrauen auseinandersetzt. Kathrin Kompisch hat das in ihrem Buch "TĂ€terinnen" bereits 2008 getan, und die Geschichte der Ilse Koch, der "Hexe von Buchenwald" wurde bereits 1995 veröffentlicht.
Nichtsdestotrotz ist Wendy Lowers Buch ein weiterer Meilenstein in der Erforschung der Geschichte der Frauen, allein schon durch die erst neu zugÀnglichen russischen Quellen.
Wendy Lower: Hitlers Helferinnen: Deutsche Frauen im Holocaust.
Hanser, Juli 2014.
336 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,90 Euro.