Unsere Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print bietet die neun besten Geschichten eines jeden Quartals aus unserem Mitmachprojekt. Dazu Kolumnen, Infos, Reportagen und ...
Rachel fĂ€hrt mit dem Zug jeden Tag zweimal dieselbe Strecke ab, einmal morgens, einmal abends. Dabei beobachtet sie die HĂ€user am Gleisrand. Eines fĂ€llt ihr immer besonders ins Auge. Hier wohnt ein Ehepaar, das sie Jason und Jess getauft und dessen Leben sie sich jedes Mal ausmalt. An einem Freitagmorgen sieht Rachel Jess mit einem anderen Mann im Garten. Abends ist sie verschwunden und ihr Gesicht taucht plötzlich in der Zeitung auf. Eigentlich heiĂt sie Meghan und ihr Mann Scott hat sie als vermisst gemeldet. Rachel glaubt, zu den Ermittlungen etwas beitragen zu können. Doch an ihr nagt auch eine Unsicherheit: Sie war zum Zeitpunkt von Meghans Verschwinden selbst in dem kleinen Ort, um ihren Exmann aufzusuchen. Da sie stark alkoholisiert war, erinnert sie sich an Vieles nicht mehr. Was ist in der Nacht geschehen?
Man kann nicht von der Hand weisen, dass âGirl on the Trainâ gewisse Parallelen zu âGone Girlâ aufweist und doch ist dieser Roman eigenstĂ€ndig genug fĂŒr einen eigenen Erfolg. In Amerika hat er bereits die Bestsellerlisten angefĂŒhrt und auch in Deutschland steht einem Erfolg nichts im Wege. Man kann gar nicht sagen, dass dieses Buch so superspannend wĂ€re und doch ist es fast nicht möglich, es aus der Hand zu legen. Paula Hawkins schriebt flĂŒssig und fesselnd und weiĂ ihre Geschichte zu erzĂ€hlen. Vor allem der Umstand, dass Rachel nicht weiĂ, was sie selbst zum Zeitpunkt des Verschwindens Meghans gemacht hat, gestaltet die Ermittlungen spannend. War sie nicht furchtbar wĂŒtend auf die Frau, die ihre Ehe so leichtfertig aufs Spiel setzt? Auf die Frau, die das Gleiche getan hat wie ihr Exmann Tom?
Rachel ist in der Geschichte auĂerdem eine interessante Figur, die vor allem Tiefen erlebt. Sie ist alkoholabhĂ€ngig und hat eigentlich ihren Job aus diesem Grund vor einigen Monaten verloren. Um das nicht ihrer Vermieterin beichten zu mĂŒssen, fĂ€hrt sie jeden Tag âzur Arbeitâ und kommt abends zurĂŒck. Im Zug und am Bahnhof beobachtet sie sehr genau ihre Mitmenschen. Zu Beginn des Romans kennt man sogar nur diese Seite an ihr. Eine Kapitel erlebt man Rachel nur im Zug und erfĂ€hrt erstmal nichts Konkretes aus ihrem Privatleben. Erst dann entfaltet sich die ganze Geschichte komplett.
Es bleibt ein toller Roman, der sich flott lesen lÀsst und durchaus Lust auf mehr macht.
Paula Hawkins: Girl on the Train.
Blanvalet, Juni 2015.
448 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.