Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespĂŒrt.
Diesmal folgen wir Nachkommen des legendĂ€ren Jack Builder aus den âSĂ€ulen der Erdeâ auf ihrem mehr oder weniger erfolgreichen Lebensweg. Gwenda und Philemon sind die Kinder eines Tagelöhners aus der NĂ€he von Kingsbridge. Beide wollen mehr als die drĂŒckende Unsicherheit des Lebens von einem Tag auf den anderen und beide versuchen das auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen. Caris ist die Tochter des RatsĂ€ltesten von Kingsbridge, sie möchte sich niemals einem Mann unterwerfen und wird gezwungen, sich noch etwas viel MĂ€chtigerem unterzuordnen. Merthin und Ralph sind die Söhne eines verarmten Ritters, der den Rest seines Lebens als Muntling verbringen muss. Das bedeutet, er hat seine verschuldeten LĂ€ndereien dem Kloster ĂŒberschrieben und darf dafĂŒr mit seiner Familie dort leben und wird versorgt. Ralph entzieht sich dem durch die Aufnahme als Junker in einen ritterlichen Haushalt, Merthin muss Zimmermann werden und arbeitet sich im Laufe seines Lebens zum angesehensten Baumeister von Kingsbridge hoch. Er baut eine neue, revolutionĂ€re, BrĂŒcke, lernt in Italien und Frankreich die Bauwerke Europas kennen und natĂŒrlich baut er auch an der Kathedrale seines Urahnen. Englands Wolle und Tuch spielen ebenso eine Rolle in diesem Roman wie die Pest und politische Intrigen, genauso wie menschliche SchwĂ€chen und StĂ€rken.
Der Roman ist flĂŒssig geschrieben und leicht zu lesen. Von den Figuren bleibt mir vor allem Ralph im GedĂ€chtnis. Er ist zweifellos ein schlechter Mensch, der schreckliche Dinge macht und trotzdem kann ich ihn nicht hassen. Follett gibt einen Einblick in seine Denkweise, zeigt, dass Ralph nicht nur aus BrutalitĂ€t so handelt, wie er handelt, sondern auch und hauptsĂ€chlich aus Dummheit. Ich kann Merthin verstehen, der bis zum Schluss an das Gute in seinem Bruder glauben will, obwohl Ralph ihm immer wieder beweist, dass so viel Böses in ihm ist.
Der Autor gibt seinen Figuren, vor allem den Nebenfiguren, meistens den Beruf als Nachnamen. Am Anfang erschien mir das phantasielos, aber bei der FĂŒlle der Figuren ist es eine echte Hilfe. Bei einer Person, die Nathan Reeve heiĂt, erĂŒbrigt sich die Frage nach seiner TĂ€tigkeit, und wenn er zweihundert Seiten spĂ€ter wieder auftaucht, weiĂ man sofort, wer und was er ist. Irritierend fand ich die Ăbersetzung der Adelstitel. Bei einem Roman, der im mittelalterlichen England spielt, erwartet man keinen âHerrn Ralphâ, ebenso keinen Grafen, selbst deutsche Autoren greifen hier meistens auf die Formulierung âSir Ralphâ und âEarlâ zurĂŒck und ehrlich gesagt musste ich mir das mĂŒhevoll im Geiste wieder zurĂŒckĂŒbersetzen, um zu wissen, in welchen Stand ich die Person einordnen muss.
Alles in allem waren das rund 1300 Seiten, die mich wunderbar aus der RealitĂ€t entfĂŒhrt haben â und das ist ja der Zweck eines solchen Romans. Also Fazit: Zweck erreicht.
Ken Follett: Die Tore der Welt.
LĂŒbbe, Februar 2008.
1294 Seiten, Hardcover, 24,95 Euro.