Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Thilo P. Lassak: Der Schatten des Horus - Mumienherz Band 2
Dem sechzehnjährigen Sid wurde scheinbar alles in die Wiege gelegt. Ein mehr als reiches Elternhaus, Intelligenz, gutes Aussehen, eine gute Schulbildung und ein eigener Therapeut. Doch eines Tages änderte sich sein ganzes, ach so behütetes Leben radikal.
Fremde verfolgen ihn, auf seinem Nachttisch hat ein Unbekannter altägyptische Hieroglyphen eingeritzt, in einer Straße, die niemand sonst finden kann, entwendet er einem Antiquar die Aufzeichnungen eines Journalisten aus dem 19. Jahrhundert, die von einem 15000 Jahre alten Kult des Seth berichten. Dieser hat sich die Rückkehr des ägyptischen Totengottes Seth auf die Fahnen geschrieben, ein mumifiziertes Herz soll den Weg bereiten.
In der Punkerin Rascal findet der verwöhnte Sid seine einzige Hilfe. Zusammen versuchen sie die verwirrenden Einzelheiten zu ordnen, einen Sinn in das Geschehen zu interpretieren und ihren Häschern zu entfliehen. Im Safe seiner Eltern findet Sid einen Brief – ein Schreiben, das davon berichtet, dass Sid das mumifizierte Herz des ehemaligen Hohepriesters Seth´s implantiert wurde.
Panisch flieht unser Paar ins ferne Ägypten, wo vor Jahrtausenden alles begann. Schon einmal gelang es einem Reporter, den Kult zu infiltrieren, und die Geheimnisse aufzudecken. Pulitzer, so der Name des findigen Schreibers, hat Hinweise hinterlassen, gut versteckt, in ungeöffneten Mumiengräbern und Pyramiden. Den wenigen Hinweisen folgend, unterstützt nur von einem geheimnisvollen Alten und einem einheimischen Führer sucht Sid die Mumie des Priesters zu finden und zu zerstören.
Das Zellgedächtnis seines neuen Herzens befähigt Sid, immer wieder in Flashs in Erinnerungen des ehemaligen Hohepriesters einzutauchen. In der Cheops-Pyramide wird er unfreiwillig zum ersten Mal im Sinne seines Herzspenders tätig. Seit Jahrtausenden ruht die uralte Vendetta zwischen Setepenseth und dem Pharao. In der Königinnenkammer der großen Pyramide flammt der Streit wieder auf und Sid muss hilflos miterleben, wie ein fremdes Bewusstsein von seinem Körper Besitz ergreift.
Die Suche auf den verwehten Spuren Pulitzers führt sie über die Pyramiden von Giza nach Luxor, dann wieder zurück nach Kairo bis in die mysteriöse Kammer des Wissens, in der sie ein alter Feind überrascht ...
Lokarkolorit gesellt sich zu einer überzeugenden Charakterzeichnung
Thilo P. Lassak ist einer der profiliertesten Kinderbuchautoren deutscher Zunge. Mit seiner Mumienherz-Trilogie, eigentlich eher ein Roman in drei Bänden, als jeweils in sich abgeschlossene Texte, legt er ein Werk vor, das einmal mehr beweist, dass die interessantesten phantastischen Bücher unserer Zeit im Bereich des Jugendbuches publiziert werden.
Mit großem Verständnis für seine Figuren, deren Denk- und Lebensweise er überzeugend und jederzeit stimmig portraitiert, erzählt Lassak uns eine Geschichte, die den Leser förmlich an die Seiten bannt.
Seine Protagonisten, neben Sid ist hier auch die immer für eine Überraschung gute Rascal zu nennen, entsprechen von ihrem Verhalten aber auch von ihrer Reaktion auf die Geschehnisse genau der Zielgruppe der Romane. Innerlich an sich, ihrem Umfeld zweifelnd, ohne dass sie wüssten wohin sie ihr weiterer Lebensweg führt, überfordert sie das Geschehen. Haltlos hin- und hergerissen von den bedrohlichen Geschehnissen zweifeln sie an sich selbst, ist insbesondere Sid geprägt von Vertrauensverlust in seinen Rückhalt – die Familie, seinen Patenonkel. Dieser Zustand ist ohne dass dies aufgesetzt wirkt, sehr sorgfältig und überzeugend herausgearbeitet worden.
Geschickt vermischt Lassak in der Handlung im Nildelta die Faszination, die von der bis heute geheimnisvollen Hochkultur und ihrer Götterwelt ausgeht, mit dem Bild eines modernen Ägyptens und seiner Thrillerhandlung um einen uralten Kult. Ohne Scheuklappen oder falsche Scham portraitiert er dabei die sozialen Missstände der Kairoer Slums, die Teehäuser in den Bazaren und die islamistisch fundierte Lebensweise der Menschen. Gerade im Vergleich zu solch hochgelobten Ägypten-Romanen wie etwa Anthony O´Neills „Die Kammer der Ewigkeit“ (edition Lübbe) gelingt es Lassak, den Flair des Molochs Kairo in all seiner orientalischen Vielfältigkeit, aber auch mit einem Blick für die Nöte der Menschen festzuhalten.
Geschickt nutzt er neueste Erkenntnisse, lässt noch umstrittene, aber durchaus denkbare Thesen rund um die Pharaonen, ihre Ausbreitung und ihr Leben in sein Werk einfließen, spekuliert allerdings immer auf wissenschaftlichen Erkenntnissen ruhend und zieht aus diesem Konglomerat zusätzliche Faszination.
Stilistisch ansprechend, inhaltlich unheimlich spannend, fundiert recherchiert, erwartet ein phantastischer Thriller den Leser, der ihn nicht mehr aus seinen Klauen lässt, und der die Zeit bis zur Erscheinen des die Handlung abschließenden dritten Bandes lang werden lässt.
Thilo P. Lassak: Der Schatten des Horus - Mumienherz Band 2.
Ravensburger Verlag, März 2008.
363 Seiten, Hardcover, Euro 16,95.
