(unbekannt): Historia von D. Johann Fausten (1587)
Das D. im Titel steht für Doctor, denn er ist durchaus gelehrt, der Johann Fausten oder auch Faustus. Er hat sogar und ausgerechnet Theologie studiert, obwohl seine Eltern einfache Bauern waren. Sie trifft jedoch ausdrücklich keinerlei Schuld an dem, was Faust aus seinem Leben macht. Es war forschende Neugier, die ihn dazu trieb, eines Tages zu versuchen, ob er nicht auch den Teufel beschwören könnte. Das Ergebnis war der Pakt mit dem Höllenfürsten, der ihm Wissen und Macht einbrachte, aber zum Ende hin auch tiefes Leid.
Die Historia ist ein Volksbuch, eine Sammlung von Erzählungen, wie man sie sich an langen Winterabenden wohl mit dem angebrachten Schauer weitergab, oder auch wie sie von Spielmännern und Gauklern weitergetragen wurden. Zum Teil sind diese Erzählungen kaum eine halbe Seite lang, zum Teil aber auch deutlich länger und zeugen von der Fabulierlust der Erzähler. Der erste Teil des Buches berichtet von der Beschwörung, von Disputen mit dem oder auch den erscheinenden Teufeln, von Zweifeln, die weggeschoben werden. Der zweite Teil erzählt von dem Wissen und den Reisen, die Faust durch den Pakt ermöglicht werden. Er kann sich über die Wolken erheben und die ganze Welt bereisen, trifft Papst und Könige und bewundert viele im Mittelalter bekannte Städte und Stätten. Der dritte Teil besteht aus einer Sammlung von Schelmenstücken mit Titeln wie: „D.Faustus macht einem Wirt einen Poltergeist in seiner Behausung“ oder auch „D.Faustus frißt einen Hausknecht“. Eingebettet ist das Ganze in Erzählungen um Geburt, Werdegang und Tod von Johann Fausten.
Insgesamt bieten die Erzählungen einen wunderbaren Einblick in die Denkweise ihrer Zeit. In der Erzählung um die Bereisung der Welt ist in jeder Zeile die Sehnsucht des Erzählers nach einer solchen Reise und seine Begeisterung über die Reise der Phantasie, die er unternehmen kann, zu spüren. Wer würde sich nicht wünschen, den trojanischen Helden von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen? Für Faust ist auch das kein Ding der Unmöglichkeit. Bis in die Schlafzimmer von Fürsten und Päpsten treibt ihn seine Neugierde. Aber er zahlt seinen Preis dafür.
Obwohl das Buch so alt ist, ist die Sprache zwar altertümlich, aber durchaus verständlich. Gedacht war das Werk als ausdrückliche Warnung, nicht vom rechten Weg abzuweichen, denn Faust endet in der Tat zum ausgemachten Zeitpunkt als verdammte Seele. Damit verrate ich hier nicht das Ende, denn das steht so bereits im ersten Kapitel.
Das Büchlein hat deswegen meine Aufmerksamkeit erregt, weil es widerspiegelt, worüber man sich unterhalten hat, was wichtig war, was weitererzählt wurde. Wie stellte man sich damals Himmel und Hölle vor? Was dachte man damals, was ein Mensch, der einen Pakt mit dem Teufel einging, anderen antun könnte? All solche Fragen hat die Historia befriedigend beantwortet.
(unbekannt): Historia von D. Johann Fausten (1587).
Reclam, 2001.
165 Seiten, Taschenbuch, 3,60 Euro.