Einfach sind die Rezepte nicht, die die Kanadierin Madeleine Thien in den sieben Geschichten ihres in Kanada vielfach preisgekrönten Erzählbandes „Einfache Rezepte“ sucht. Für die Probleme ihrer Helden gibt es keine simplen Lösungen.
Es wird viel geweint in den Geschichten, es geht fast immer ums Verlassen oder Verlassen werden, Kinder laufen von zu Hause weg, haben Essstörungen, werden geschlagen und gequält. Das Ende der Erzählungen lässt die 34-jährige Tochter von Einwanderern aus Malysia und China meist offen. Vom Leben in der Fremde erzählt Madeleine Thien in knappen Sätzen, mit viel nüchternem Abstand, aber holt die Figuren trotzdem so nah heran, dass die Erzählungen tief berühren.
Zarte und brutale Töne findet sie, um das Leben der Menschen, die ihre Orientierungspunkte verloren haben, zu beschreiben. „Das Warum ist es, was keiner versteht“, sagt einer der Protagonisten. Aber Madeleine Thien macht gar nicht erst den Versuch, dieses Warum zu erklären,; sie weckt Sehnsucht nach heiler Welt und Geborgenheit – zum Teil mit erschütternder emotionaler Intensität. Manche Geschichten muss man zwei-, dreimal lesen; vergessen wird man einige der einsamen Nomaden so schnell nicht. – Ein ungeheuer eindringliches Buch, dessen Schmerz lange nachhallt.