Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten- Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
Der Puppenspieler Julius Klingenthal wird im Berlin 1783 in ein Mordkomplott und in Machtintrigen verwickelt. Gleichzeitig sucht und findet er die Frau, die er liebt, und muss sich mit dem bizarren Salon Collegium Artis der Madame de Chattemont auseinandersetzen.
Ein Buch, in dem der Autor seine Protagonisten so liebevoll zum Leben erweckt, dass sie unvergesslich werden. Nicht nur die menschlichen Figuren stehen aus den Seiten auf, sondern auch die sechs Puppen, die Klingenthal den Lebensunterhalt sichern sollen. Jede davon hat ihre eigene Stimme und ihren eigenen Charakter und ist in der Lage, ihren Meister je nach Erfordernis zu belehren oder tiefer in den Sumpf zu reiten. Wie der Puppenspieler Klingenthal das Marktpublikum zieht der Autor Serno den Leser von der ersten Seite an in seinen Bann und lässt ihn vor dem Ende nicht mehr los.
Bei dem Salon der Madame de Chattemont handelt es sich um regelmäßige Treffen, bei denen die Dame des Hauses Vortragende einlädt, um dem staunenden Publikum die neuesten Erfindungen der Welt nahezubringen und sie darüber diskutieren zu lassen. So erlebt man die Magdeburger Kugeln (zwei Halbkugeln, die zusammengefügt werden und aus denen dann die Luft herausgepumpt wird, sodass sie durch den äußeren Luftdruck zusammenhalten) direkt durch die Augen des Publikums des 18. Jahrhunderts. Als (heutiger) Leser hat man bei anderen Spectaculi den Vorteil, dass man Wissenschaft von Zaubertrick unterscheiden kann - zumindest glaubt man das.
Das Buch hat nur eine Nebenwirkung: Es treibt den Betroffenen kurz vor Ladenschluss in den strömenden Regen, um sich den Vorgänger noch schnell zu besorgen, falls man nicht so klug war, ihn vorher zu lesen.
Wolf Serno: Das Spiel des Puppenkönigs.
Droemer/Knaur, Mai 2008.
496 Seiten, Hardcover, 19,95 Euro.