Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Die „Short Story“ ist bislang eine Domäne der amerikanischen Literatur und bei deutschen Autoren eher selten zu finden. Doch jetzt legt Clemens Meyer, vor zwei Jahren mit seinem düsteren Nachwende-Roman „Als wir träumten“ zum Shooting Star der jüngeren deutschen Literatur avanciert, sein zweites Werk vor, einen Band mit 15 Storys. Der Titel ist Programm. Die meisten der Geschichten spielen sich im Dämmerlicht und im Dunkeln ab, Menschen fahren nachts Zug oder Taxi, geben sich flüchtigen Begegnungen hin, schauen aus dem Fenster. Ab und zu fällt ein Licht hinein, leuchten kurz die Lichter der Großstadt auf, wie ein Funken Hoffnung. Es sind die Randexistenzen und Schattengestalten der Gesellschaft, die den Autor interessieren, und man merkt, dass er die Milieus, über die er schreibt, sehr genau kennt. Es ist die Welt der Verlierer, Arbeitslosen, Kleinkriminellen und Gestörten, die Schauplätze sind Knaste, düstere Wohnungen, Boxringe und Pferderennbahnen. Die zentralen Themen sind Einsamkeit, Sehnsucht, unterwegs sein nach irgendwohin und die Brüchigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen. Ein Mann trifft eine ehemalige Freundin in einer Kneipe, doch die Hoffnung auf einen Neuanfang wird nicht erfüllt. Ein anderer setzt sein letztes Geld auf der Rennbahn, um seinen kranken Hund behandeln zu lassen. Er gewinnt - doch im letzten Satz reißt der Autor das Ruder herum ...
Clemens Meyer zieht den Leser schnell in seine Erzählungen hinein und schafft Nähe zu seinen Antihelden, auch wenn deren Lebenswelt vielen eher fremd sein dürfte. Sein Sprachstil ist einzigartig intensiv, es gelingt ihm, in wenigen Sätzen viel zu sagen, Stimmungen und Gefühle präzise auf den Punkt zu bringen, oft rau, aber auch poetisch, ohne sentimental zu werden oder mit der Außenseiterrolle zu kokettieren. Trotz düsterer Thematik ein echter Lichtblick, ein Buch, eindringlich und abgründig wie ein alter Film Noir.
Clemens Meyer: Die Nacht, die Lichter.
S. Fischer-Verlag, Februar 2008.
266 Seiten, Hardcover, 18,90 Euro.