Hans-Peter Richter: Damals war es Friedrich (1961)
Dieses Buch gehört zu den ganz wenigen, bei denen ich mich noch deutlich erinnere, was es fĂŒr einen Eindruck hinterlies. In der Grundschule hatte unsere Lehrerin die gute Angewohnheit, uns regelmĂ€Ăig zum Abschluss - ich weiĂ nicht mehr ob nur Freitags oder am Ende jeden Tages - etwas vorzulesen. In einem Jahr fiel ihre Wahl auf âDamals war es Friedrichâ. Ich kann mich noch gut an das letzte Kapitel erinnern und die völlige UnglĂ€ubigkeit, die in der Klasse herrschte. âIst er jetzt wirklich tot?â Wir waren noch Kinder, noch an das vorprogrammierte Happy End von altersgerechten BĂŒchern gewöhnt und wussten so gar nichts vom Zweiten Weltkrieg, sodass uns - mich - das Ende völlig unvorbereitet traf.
Der Ich-ErzĂ€hler ist ein Junge, der dem gleichaltrigen, jĂŒdischen Freund Friedrich unvoreingenommen gegenĂŒbersteht. Kennt er doch Friedrich schon viel lĂ€nger, als es den Nationalsozialismus in Deutschland gibt, Freundschaft und Buch beginnen 1929. Die Geschichte ihrer Freundschaft wird in kurzen, beispielhaften Kapiteln erzĂ€hlt, beschrieben werden Ereignisse aus den Jahren 29 - 42. Dargestellt wird die Lebenswelt, die fĂŒr den Juden Friedrich mit jeder Geschichte unwĂŒrdiger und gefĂ€hrlicher wird, gleichzeitig fĂŒr den Freund aber lange Zeit normal bleibt.
Der Vater des Ich-ErzĂ€hlers tritt in die NSDAP ein, der ErzĂ€hler in die Hitlerjugend. Dabei erweist er sich als naiv genug, den besten Freund Friedrich zu einem Abend mitzubringen. Hier zeigt sich, dass Friedrich wesentlich informierter ist als er selber und bereits ahnt, dass es ihm nicht gut bekommen wĂŒrde, seine Religion zuzugeben.
Aus dem Pimpf wird ein Hitlerjunge und der ErzĂ€hler ist mehr und mehr gezwungen, privates und HJ strikt auseinanderzuhalten. Er ist nicht blind gegenĂŒber den Repressalien, aber zu jung, um das ganze AusmaĂ auch nur erahnen zu können. Die wirtschaftliche Situation beider Familien verkehrt sich nach 33, der ehemals wohlhabende Herr Schneider darf nicht mehr arbeiten und der lange arbeitslose Vater des ErzĂ€hlers erfĂ€hrt mit dem Parteieintritt einen sozialen Aufstieg. Der Junge wĂ€re kein Junge, wenn er sich nicht darĂŒber freuen wĂŒrde, dass die Zeit der Armut endlich vorbei ist und darĂŒber die Nöte der Nachbarsfamilie fast aus den Augen verliert.
Hans-Peter Richter hĂ€lt die Perspektive seines Ich-ErzĂ€hlers konsequent ein und das macht einen GroĂteil der Schockwirkung dieses Buches aus. Denn jeder, der es gelesen hat, seit es 1961 erschien, wusste bereits, was nach 33 gefolgt war. Die Perspektive eines Jugendlichen, der die Welt um sich herum nur zum Teil begreift und in der Ich-Form erzĂ€hlt, lĂ€dt zur Identifikation ein. Am Ende muss man sich dann fragen, mit wem man sich als Leser identifiziert hat. âDamals war es Friedrichâ war eines der ersten BĂŒcher, die zu diesem Thema erschienen, heute ist es lĂ€ngst ein Klassiker der Jugendbuchliteratur.
Hans-Peter Richter: Damals war es Friedrich (1961).
Dtv, 1996.
144 Seiten, Taschenbuch, 5,95 Euro.