Die Geschichte des Buches.
Bücher, Luxusgüter einiger weniger gut Betuchter und Gebildeter, nette, Zeit vertreibende Spielereien für Fürsten und Könige oder der Lobpreisung Gottes dienende Seelenheillektüre. Das „einfache Volk“ besaß keine, sah ein Mal die Woche eines, wenn der Pfarrer Sonntags auf der Kanzel die Bibel aufschlug – es fehlte ihnen an Geld und genügend Zeit und Muße, sich mit diesem „Reichentand“ aufzuhalten und selbst hätten sie Grundbildung im Bereich des Lesens und Schreibens gehabt, was hätte es ihnen geholfen, denn sie hatten ja weder Latein- noch Französischkenntnisse. Sie hatten zwar etwas anderes, ihre reiche, mündliche Erzähltradition, aber sowohl von den schönen, bildenden, neuen als auch den wichtigen, ihre Leben bestimmenden Dingen waren sie abgeschnitten.
Dann passierte einiges – der Buchdruck wurde erfunden, Martin Luther übersetzte die Bibel ins Deutsche, das Niveau der Grundbildung wurde angehoben. Bücher wurden erschwinglicher, leichter zugänglich und nicht nur Privilegierte konnten sie lesen.
Gefährlich, gefährlich – ein Massensterben, die Privilegien der führenden Schichten auf dem Totenbett, genauso wie die Unmündigkeit des „Mobs“, denn der konnte nun selber nachlesen, was man ihm vorbetete, ebenfalls das fast absolute Aus für die mündliche Erzähltradition in Europa (in Ungarn soll es da noch ein paar Volksgruppen geben, die ihre mündliche Tradition rigoros weiterleben), genauso der schleichende Tod für das Buch selbst, denn es wurde Massenware und - mit Einzug des Fernsehens und des Internets in alle Haushalte - gleichzeitig eine vielleicht nicht unbedingt vom Aussterben bedrohte Art, aber zumindest eine, die ihre Wichtigkeit, ihr „Zündpulver“ nach und nach verliert.
Die Anti-Utopie Fahrenheit 451 soll- so einige Meinungen in der Fachliteratur – genau dies sein, eine Warnung vor der „Verpuffung des Bücherpotentials“ durch die Dauerberieselung durch das Fernsehen.
Ray Bradburys Protagonist, Guy Montag, ist Feuerwehrmann, und er hat die äußerst ehrenvolle Aufgabe, die perfekte, dystopische Gesellschaft, in der er lebt, davor zu bewahren, zu viel zu denken. Er sucht und verbrennt Bücher, Bücher, diese gefährlichen Dinger, die Menschen dazu verleiten könnten, viel zu viel selbstständig zu denken und zu fühlen und dadurch das Gemeinschaftsgefüge zu gefährden, wenn sie darin läsen.
Zunächst macht er seine Aufgabe vorbildlich, doch die Begegnungen mit seiner Nachbarin, der Bücherleserin Clarisse und einer alten Frau, die es vorzieht, mit ihren Büchern gemeinsam zu verbrennen, lassen ihn seine Haltung ändern. Er beginnt, sich zu Bücher zu interessieren, sie zu sammeln, zu lesen, auswendig zu lernen, um ihre Inhalte vor dem Vergessen zu bewahren und wird ein Anderer. Seine Ehefrau, die durch Drogen und Fernsehshows gefügig gemachte und von den wirklich wichtigen Dingen entfernte Mildred verrät ihn und Montag muss, zusammen mit seinen „Mit-Denkern“, in die Wälder flüchten. So entgeht er seinem Tod, betrachtet aus der sicheren Entfernung die Zerstörung seiner Heimatstadt mit allen seinen Einwohnern, die noch vor den Bildschirmen kleben und hohle Fernsehshows anschauen, während der herannahende Krieg sie bereits auslöscht.
Ja, Bücher sind gefährlich, aber manchmal können sie auch Leben retten. Und sie sind es wert, dass man ihre eigene Gefährdung erkennt und sich ihrer annimmt, damit sie –bei inzwischen eingeläuteter Vormachtsstellung anderer Medien – nicht den Heldentod sterben müssen.