Das mit 328 Seiten dickste Buch unseres Verlagsprogramms ist die Vampiranthologie "Ganz schön bissig ..." - die 33 besten Geschichten aus 540 Einsendungen.
Im Tirol des Jahres 1485 ist der für seine Zeugungsfähigkeit legendäre Herzog Sigmund Landesherr und er residiert in Innsbruck. In Innsbruck lebt auch Lena, die verzweifelt eine Anstellung im Schloss möchte, um die Herkunft ihres Vetters Sebi zu klären, der möglicherweise von Sigmund gezeugt wurde. Sebi würde die Anerkennung der Vaterschaft durch den Herzog sehr helfen, denn für dessen Bastarde wird gut gesorgt. Lena gelingt es, als Köchin unterzukommen und wenig später gerät sie in den Verdacht, das Herzogpaar vergiftet haben zu wollen. Nicht lange darauf folgt die Anklage wegen Hexerei, die nicht sie allein betrifft, sondern auch sechs ihr nahestehende Frauen.
Zunächst einmal stimmt der Klappentext nicht mit dem Inhalt des Buches überein, sondern erzählt eine fast völlig andere Geschichte. In meiner Ausgabe des Buches stellt der Herzog nicht Lena nach. Auch wird sie nicht aus Eifersucht der Hexerei bezichtigt, sondern primär des angeblichen Mordversuchs angeklagt und nur „auch“ wegen Hexerei. Grund dafür ist aber kaum Eifersucht. Eifersüchtig auf die neue Herzogin, also auch nicht auf Lena, dagegen ist die alte Liebschaft des Herzogs, die wiederum gleichzeitig die Ehefrau des angeblich von Lenas Freundin Hella ermordeten Ritters ist. Hört sich kompliziert an? Ist es auch, dabei habe ich noch kein Wort über die anderen vier Frauen verloren oder über das brisante Familiengeheimnis. Die als „beispielloser Kampf für die Freiheit“ des Juristen Merwais vollmundig angekündigte Verteidigung findet gerade mal auf den letzten paar Seiten statt.
Des Weiteren enthält der Roman einen Krimianteil über noch einen - diesmal gelungenen - Mord, der völlig unglaubwürdig daherkommt - dabei bin ich alles andere als ein Krimifachmann und eigentlich immer bereit, noch so abstruse Krimimotive einfach so hinzunehmen. Aber hier spürt man zu sehr die ordnende Hand der Autorin, viel zu viele Zufälle tauchen auf und die Auflösungen sind unsauber vorbereitet. Die Rolle des auffälligen Medizinfläschchens beim Gebrauch und später bei der Beweisführung konnte mich nicht überzeugen und schon gar nicht, dass die Mörderin ebenso verzweifelt wie stümperhaft nach dessen Verbleib fahndet. Allein das Vorhandensein des Giftes darin wäre noch kein Beweis für ihre Schuld. Und wieso hat sie das Gift eigentlich ausgerechnet da rein getan?
Dieser Roman konnte mich nicht gewinnen. Die Motive der Nachbarn, die sieben Frauen als Hexen bezichtigen, sind im zwar Prinzip glaubhaft, doch bleiben sie in der Beschreibung seltsam diffus. Ganz und gar vom Himmel gefallen scheint dann das Umschwenken der Innsbrucker, die plötzlich für die Frauen eintreten. Das ist zwar historische Tatsache, aber im Roman fehlt der Anlass dafür völlig. Den hätte ich übrigens viel interessanter gefunden als die Mord- und Eifersuchtsgeschichte.
Im Nachwort geht die Autorin noch auf die historischen Verläufe ein. Die geschichtlichen Hintergründe in dem Roman sind - soweit ich das beurteilen kann - absolut sauber recherchiert. Dass trotzdem kein Mittelaltergefühl aufkommt, liegt sicher nicht am Wissen der Autorin. Aber mir sind Bücher suspekt, die historische Ereignisse aus „dramaturgischen Gründen“ mal eben um ein Jahr nach vorne oder hinten verlegen. Ich weiß, dass manche Autoren das bewusst machen und wie hier im Nachwort angeben. Aber ich persönlich bin der Ansicht, dass sich die Geschichte auch im Roman, bei all seiner sonstigen Freiheit, dem geschichtlichen Verlauf anpassen sollte und nicht umgekehrt, wenigstens bei den historischen Highlights, deren Datum unzweifelhaft feststeht.
Brigitte Riebe: Die Hexe und der Herzog.
Diana, August 2008.
528 Seiten, Hardcover, 19,95 Euro.