Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
âIm Bootâ, die Titelgeschichte des Buches, ist eine von sieben ErzĂ€hlungen und gleichzeitig das DebĂŒt des jungen amerikanischen Autors Nam Le.
Auch wer lieber zu lÀngeren Romanen greift, sollte sich dieses Buch wegen seiner eindringlichen Schilderungen und der wunderbar dichten Sprache nicht entgehen lassen.
In der ersten Geschichte erfahren die Leser, wie ein ErzĂ€hler die entsetzlichen Erlebnisse seines Vaters, der ein Massaker ĂŒberlebt, verarbeitet.
Die zweite Geschichte handelt von den Freunden Eduardo und Luis. Sie leben in den Slums von Bogota und trÀumen von Cartagena, dem friedlichen Ort an der Karibik. Doch dann wird einer von den beiden erschossen.
Der Protagonist der dritten Geschichte ist ein alternder, kranker Maler, der in New York lebt. Als seine Tochter in der Stadt ein Konzert gibt, setzt er alles daran, sie zu treffen.
âHalflead Bayâ ist mit 69 Seiten die lĂ€ngste der Geschichten. Sie handelt von dem achtzehnjĂ€hrigen australischen Jungen Jamie. Der Vater ist Fischer, die Mutter an Multipler Sklerose erkrankt.
In âHiroshimaâ geht es um ein achtĂ€hriges MĂ€dchen im August 1945 in Hiroshima.
Sarah ist die Protagonistin der vorletzten Geschichte. Auf der Suche nach neuem Lebenssinn fliegt sie nach Teheran zu einer Freundin. WĂ€hrend einer Demonstration verschwindet sie spurlos.
Mai, eine junge Vietnamesin schippert mit anderen Boat People dreizehn Tage lang ĂŒber das sĂŒdchinesische Meer. Schlimmste Bedingungen, Dreck und ein fĂŒrchterlicher Sturm begleiten sie. Mitten im Meer versucht sie einem kranken Jungen das Leben zu retten. Nahe am Verdursten erreichen sie schlieĂlich das Land.
Sieben ganz unterschiedliche ErzÀhlungen, die doch eine Gemeinsamkeit haben: Alle behandeln sie das zentrale Thema Flucht auf der Suche nach einem besseren Leben. Sie handeln von der Hoffnung auf Leben und der zerstörerischen Macht des Todes.
Alle sind Geschichten, die anrĂŒhren, berĂŒhren, nicht loslassen. Eindringlich in der Sprache und ihrer Bilder fesseln sie und wirken nach wie immer gröĂer werdende Wellenkreise die sich auf einem See ausbreiten.
Nam Le beweist mit seinem DebĂŒt höchste dichterische, sprachgewaltige ErzĂ€hlkunst wie sie nicht vielen Autoren gelingt.
Nam Le wurde 1978 in Vietnam geboren, kurz bevor seine Familie nach Australien auswanderte. Er wuchs in Melbourne auf und studierte Philosophie, Anglistik und Jura. Nach dem Studium arbeitete er zuerst als Anwalt und ging dann in die USA, um Creative Writing zu studieren. Derzeit lebt Nam Le in England.
Nam Le: Im Boot.
Claassen-Verlag, Oktober 2008.
332 Seiten, Hardcover, 22 Euro.