Jean-Marie Gustave Le Clezio sei ein „Erforscher einer Menschlichkeit außerhalb und unterhalb der herrschenden Zivilisation“, hat die Schwedische Akademie ihre Entscheidung, den 68-jährigen Franzosen mit dem Literatur-Nobelpreis auszuzeichnen begründet.
Mit seinem neuen Roman „Raga. Besuch auf einem unsichtbaren Kontinent“ unterstreicht der literarische Weltenbummler genau das sehr deutlich. Denn die Menschlichkeit seiner Figuren ist gut versteckt in der uns unbekannten Zivilisation der Insel Raga. Und damit fällt das schmale, nur 115 dünne Bändchen gegen viele andere große Romane, die in diesem Buch-Jahr der großen Erzähler erschienen sind, auch deutlich ab.
Handlung hat Le Clezios Abstecher auf die Pazifikinsel Raga kaum. Der Franzose beobachtet Vögel, magische Pflanzen, Sterne, Gebäude, ein ganzes Universum. Aber die Menschen nur am Rande; ihnen kommen er und die Leser nicht sehr nahe. „Raga“ ist mehr ein literarischer Reiseführer, der auch Historie aufarbeitet, die Mystik der geheimnisvollen, wilden Insel erforscht, ihre Geschichte und das moderne Leben zeigt. Auch Bezüge, zum Beispiel zu den Bretonen in seiner Heimat Frankreich zeigt der Autor, der einen großen Teil seines Lebens mit Reisen verbracht hat. Märchen anderer Autoren über die Insel und eine Liebesgeschichte über das Weben von Matten hat Le Clezio in die acht Kapitel eingewoben. Sie bleiben aber Mosaikstücke, verschwommene Urlaubseindrücke , die sich nicht recht zu einem Ganzen zusammenfügen wollen.
Die Sprache des Franzosen ist schön, zuweilen auch bildmächtig, poetisch. Einen großen Erzählstrom hat sie nicht. Der Roman ist in der „Wunderhorn“-Reihe „Völker am Wasser“ erschienen. Da passt er besser hinein als Le Clezio mit „Raga“ in die Reihe großer Erzähler, die es unter den Nobelpreisträgern früher auch schon gegeben hat.
Jean-Marie Gustave Le Clezio: Raga.
Wunderhorn-Verlag, November 2008.
140 Seiten, Hardcover, 16,80 Euro.