Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
Als Tessa zwölf ist, diagnostizieren die Ärzte bei ihr Leukämie. Besonders ihr Vater bemüht sich um ihre Heilung, recherchiert Tag ein, Tag aus im Internet nach Lösungen und Wegen. Die eigentliche Geschichte, die »Bevor ich sterbe« erzählt, setzt mit Tessas 16. Lebensjahr ein. Ihre Lage scheint aussichtslos und um vom Leben Abschied zu nehmen, hat sie eine Liste mit zehn Punkten erstellt. Mit Dingen, die sie noch erreichen möchte, bevor sie stirbt. Drogen will sie nehmen und mit einem Jungen schlafen, Verbotenes tun. Kurz: Das Leben in vollen Zügen genießen. Ihre Freundin Zoey unterstützt sie bei der Umsetzung. Sie ist die einzige, die ihr noch geblieben ist. Mit den Jahren haben sich die anderen Mädchen von Tessa abgewandt, ganz so als hätten sie Angst sich anzustecken. Mit den dahin fliegenden Wochen ändert sich Tessas Liste, sie streicht Ziele und setzt neue hinzu, merkt am Ende schließlich, dass zehn Punkte nie und nimmer ausreichen, denn eigentlich hat sie noch viel vor. Dann lernt sie Adam kennen und mit ihm die Liebe, während ihre Krankheit unaufhaltsam voranschreitet.
Schon auf den ersten Seiten dieses Buches fällt dem Leser etwas ins Auge, was man mit Blick auf seinen Inhalt vielleicht nicht erwarten würde: Humor. Und selbst nach einer weiteren Vergewisserung über das Thema bleibt dieser. Tessa erzählt ihre Geschichte mit Sarkasmus und Schärfe, was den Text an vielen Stellen enorm auflockert. Denn eigentlich geht er gleichermaßen nahe, nicht nur am Ende. Jenny Downham schafft mit ihrem Debüt ein Spagat zwischen Extremen – ohne das Thema an sich ins Lächerliche zu ziehen – und bewegt die Menschen, die sich mit der Geschichte näher auseinandersetzen.
Dieses Buch werde ich sicher so schnell nicht vergessen. Trotz seiner Tragik steckt es voller Leben und Lebenswille. Es lehrt die Leser, die kleinen Dinge des Lebens schätzen zu lernen, ihnen überhaupt wieder Beachtung zukommen zu lassen. Man stellt sich ganz unausweichlich selbst die Frage, der sich Tessa gegenübersieht: Was will ich noch im Leben erreichen? Was ist mir wichtig? Durch die Erzählperspektive bleibt man über die Seiten hinweg diesem Thema sehr nah. Die Figuren sind authentisch gezeichnet und wirken echt, mitten aus dem Leben gegriffen. Es sind Menschen wie Du und ich, keine Überflieger. Und vor allem haben sie natürliche Wünsche nach Nähe, Zuneigung, Abenteuer oder ganz alltäglichen Dingen.
Den Buchdeckel einfach zuschlagen und die Geschichte vergessen? So einfach ist das hier nicht. Ganz sicher ein Werk, an das ich mich noch öfter erinnern werde und das auch nach mehrmaligem Lesen noch neue Entdeckungen bereithalten wird.
Ein beeindruckender Debütroman übers Abschiednehmen vor allem – aber nicht nur – für junge Leser. Bewegend und voller Liebe und Leben.
Jenny Downham: Bevor ich sterbe.
cbj, September 2008.
320 Seiten, Hardcover, 17,95 Euro.