Die junge Münchner Ärztin Andrea Kirschbaum kommt spät von der Arbeit nach Hause. Als sie ihre Tür aufschließen will, tritt aus einer unbewohnten Wohnung eine Gruppe Männer, die sie nie hätte zusammen sehen dürfen – Würdenträger der katholischen Kirche im Bund mit Faschisten. Die Männer fackeln nicht lang, sondern werfen sie aus dem Fenster.
Mit diesem Mord wird eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, die zu einer Katastrophe führen muss. Denn die beiden Gruppierungen haben ein gemeinsames Ziel: den Islam zu bekämpfen, und vor allem den Beitritt der Türkei zur EU zu verhindern, der in Kürze in Tallinn besiegelt werden soll. Dafür ist ihnen jedes Mittel Recht. Der im Verborgenen agierende katholische Geheimbund „Filii Martelli“ (die Söhne des Hammers) hat den Vatikan bis in höchste Stellen unterwandert, wer sich in den Weg stellt, wird ausgeschaltet. Als in Rom die junge Graziella, Großnichte des gemäßigten Filii Martelli-Vorsitzenden, Zeugin eines brisanten Gesprächs wird, wird sie neugierig, forscht nach, und begibt sich dabei in höchste Gefahr.
Der MAD-Agent Thorsten Renk kehrt von einem Auslandseinsatz zurück und hört entsetzt, dass seine Freundin Andrea Kirschbaum Selbstmord begangen haben soll. Schnell wird ihm klar, dass sie ermordet wurde. Während München von einem Attentat auf die Sendlinger Moschee erschüttert wird und ein regelrechter Straßenkampf zwischen Türken und Rechten tobt, erkennt Renk, dass sein ehemaliger Kamerad namens Hoikens dahinter stecken muss. Ist er auch Andreas Mörder? Renks Vorgesetzter wiegelt ab, wittert gar Verfolgungswahn, weil Renk Hoikens einst als Nazi entlarvte. So bleibt Renk nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu ermitteln. Als er in den Kosovo quasi strafversetzt wird, ahnt er nicht, dass er damit in unmittelbare Nähe des Geschehens kommt.
Schließlich sind er und Graziella, die nach Albanien entführt wurde, die einzigen, die den Wahnsinn noch stoppen können.
Wenn ich das Buch in zwei Worten zusammenfassen müsste, würde ich sagen: brisant und rasant! Und so brandaktuell, dass ich beim Lesen einige Male schlucken musste, mich fragte, wie nah wir vielleicht schon einem derartigen Szenario sind, ohne es zu wissen. Denn die Vorstellung, dass sich solche ultraradikalen Gruppierungen zusammentun, kann heutzutage nur erschrecken. Erleben wir nicht ständig, wie religiöse Konflikte immer wieder neu entflammen, wie Hass und Gewalt gesät wird – auf allen Seiten?
Früher ging es in vielen Agententhrillern um den Ost-West-Konflikt und die „bösen Kommunisten“. Nach dem Fall der Mauer fiel dieses Thema bekanntlich weg, man konnte sich fragen, wen oder was die modernen James Bonds nun jagen werden. Die Antwort ist klar: internationale Terroristen aller Couleur. Und so wie Robert Ludlums Helden oft von der eigenen und der Gegenseite gejagt wurden, ergeht es dem Helden Renk in diesem Roman. Einer gegen alle, mit wenig Hilfsmitteln und einem Countdown, der beinahe hörbar aus den Seiten tickt. Spannend, voller Action, reich an Wendungen und mit sympathischen Figuren gespickt, bietet der gut recherchierte Roman kurzweilige Lesestunden. Die Dialoge sind lebensecht und die technischen Spielereien drängen sich nicht vor die Handlung, sondern bleiben brav in ihrer Rolle als Werkzeuge, so dass man nicht Informatik oder Maschinenbau studiert haben muss, um die Tricks zu verstehen, mit denen operiert wird.
Nicola Marni ist ein neues Pseudonym eines Autorenpaares, das unter verschiedenen Pseudonymen u.a. historische Romane und Fantasy schreibt. Aus sicherer Quelle weiß die Rezensentin, dass weitere Romane mit Thorsten Renk geplant sind. Und freut sich darauf!
Nicola Marni: Die Tallinn-Verschwörung.
Page & Turner, Januar 2009.
512 Seiten, Hardcover, 19,95 Euro.
