Mit »Der Pate von Bombay« veröffentlicht der Aufbau Verlag eine Gesamtausgabe der beiden Einzelteile »Der Gott von Bombay« und »Bombay Paradise« von Vikram Chandra. Der in Indien und den USA lebende Autor folgt auf einer Vielzahl von Seiten gleich zwei Personen: Dem Polizisten Sartaj Singh, der in seines Vaters Fußstapfen getreten ist, und dem gefürchteten Gangster Ganesh Gaitonde, der schon seit Jahren die Unterwelt Indiens beherrscht. Diese beiden Menschen treffen gleich zu Beginn des Buches aufeinander, da Sartaj einen anonymen Hinweis über den Aufenthaltsort des Ganoven erhielt. Bevor der Polizist jedoch zu ihm vordringen kann, hat Ganesh sowohl die sich ebenfalls im Haus befindliche Frau als auch sich selbst erschossen. Während Singh innerhalb seiner Ermittlungen den Fall zu klären versucht, erzählt Ganesh als eine Art Rückblende nach seinem Tod von den Ereignissen.
Diese Ausgabe wartet mit fast 1400 Seiten auf, es ist deshalb von Nöten, dass man sich wirklich lesefreudig zeigt und auch streckenweise ein enormes Durchhaltevermögen beweist. Die Figuren sind sehr lebensnah gezeichnet, man erfährt viel über Land und Leute zu den unterschiedlichen in der Erzählung erwähnten Zeiten. Im Mittelpunkt stehen natürlich Ganesh und Sartaj, aber auch dessen Mutter, ein junges Model und nicht zuletzt die Schwester der zusammen mit Ganesh verstorbenen Frau spielen wichtige Rollen innerhalb des Beziehungsgeflechtes, das der Autor entfaltet. Jeder dieser Persönlichkeiten gibt er etwas Eigenes mit auf den Weg. Dadurch strahlt das Buch in Vielseitigkeit, verzettelt sich aber auf der anderen Seite besonders im Mittelteil immer öfter.
Erst am Ende zeigt sich die wahre Brillanz des Werkes – denn hier passt jedes Detail in einem aufwendigen Mosaikpuzzle zusammen. Während zur Mitte hin die Spannung etwas verloren geht, nimmt die Handlung dann schnell wieder Fahrt auf und bleibt fast bis zur letzten Zeile fesselnd.
Das Interesse an anderen Kulturen und Religion ist eine wichtige Grundvoraussetzung, die man zum Lesen des Buches mitbringen sollte, denn sie stellen einen entscheidenden Pfeiler in Auflösung und Entfaltung der Geschichte dar. Vorwissen braucht es nicht unbedingt, Interesse schon. Sonst würde ich von der Lektüre abraten, da »Der Pate von Bombay«, wie schon die Seitenzahl zeigt, keine unterhaltsame Lektüre für Zwischendurch ist.
Die beiden vorrangigen Erzählperspektiven – leicht distanziert mit Blick auf Sartaj und direkt mit Ganeshs eigens formulierten Worten – sind aufeinander abgestimmt, ja, sie ergänzen einander gegenseitig. Immer wenn dem Polizisten die Aufdeckung eines weiteren Puzzleteils gelingt, eröffnet Ganesh seinerseits die passenden Hintergründe zu dem Sachverhalt und erläutert anhand seiner Vergangenheit das Vorgehen.
Wer sich an die Größe des Werkes heranwagt, wird belohnt. Facettenreich und aufwendig recherchiert kommt »Der Pate von Bombay« daher und weiß zwischen Rückblick und Gegenwart eine gelungene Verbindung zu ziehen.
Vikram Chandra: Der Pate von Bombay.
Aufbau Tb., Dezember 2008.
1372 Seiten, Taschenbuch, 16,95 Euro.