Wir befinden uns im Jahr 1415. Martin von Thiersreuth, ein heruntergekommener Söldner und Berufspilger, den ständige Geldnot plagt, erhält von seinem Bruder Pater Alban einen Auftrag: Er soll Albans Abt Rogatus und sein Gefolge nach Konstanz geleiten, wo der Abt dem Prozess gegen den Ketzer Jan Hus beiwohnen will. Obwohl Martin und Alban seit Jahren entzweit sind, willigt Martin ein. Doch Alban verheimlicht Martin, dass er selbst ein Anhänger von Hus ist. Einmal in Konstanz angekommen, gerät Martin mit Rogatus in Streit. Schließlich greift er in einer brenzligen Situation ein, um Alban zu helfen, und begibt sich dabei in Lebensgefahr. Hereingelegt und als Verbrecher gejagt, ist er schließlich auf Rettung durch Alban angewiesen. Und während Alban sich immer mehr in die Idee versteigt, Hus retten zu wollen, versucht Susanna, die Tochter des Baders, zwischen den Brüdern zu vermitteln. Erst wenn sie ihren Streit beilegen und ihren Stolz überwinden, können sie sich gegenseitig beistehen.
Ein historischer Roman mit einer männlichen Hauptfigur, das ist die erste Überraschung. Der Hintergrund, das Konstanzer Konzil, bietet viel Zündstoff und liefert beim Lesen interessante Einblicke in den Ketzerprozess gegen Jan Hus. Sabine Wassermann ist ein wunderbarer Roman gelungen. Den sehr lebendig anmutenden Hauptfiguren mit menschlichen Schwächen, mit Ecken und Kanten folgt der Leser gerne auf die Reise. Die Guten sind sehr liebenswert, die Bösen nachvollziehbar böse.
Die Autorin benutzt eine klare Sprache, die nicht künstlich auf „historisch“ getrimmt ist, pfiffige Dialoge und bedient so gut alle Sinne, dass man beim Lesen meint zu riechen, zu fühlen, zu schmecken. Durch eine geschickte Dramaturgie und einige überraschende Wendungen ist die Spannung auf hohem Niveau. Den enormen Rechercheaufwand merkt man dem Buch nicht an, außer, dass es voller interessanter Details steckt, die sich aber nie vor die Handlung drängen. Auch die Nebenfiguren sind mit viel Sorgfalt gezeichnet und es finden sich einige historische Persönlichkeiten darunter, über die man nach Ende der Lektüre gerne weitere Informationen sucht. Geschickt werden lose Fäden am Ende aufgegriffen und zu einem runden Ende geführt. Das ist eines der Bücher, bei dem ich nach dem Zuklappen mit großem Bedauern gedacht habe: „wie, schon fertig?“
Danke, Sabine Wassermann, für diesen Lesegenuss!
Sabine Wassermann: Das Zeichen des Ketzers.
Rowohlt, August 2008.
544 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro.