Fortsetzungsromane fallen oft gegenüber dem Erstling ab. So ist es leider auch bei Tom Rob Smith, der Anfang vorigen Jahres mit "Kind 44" einen gefeierten Thriller vorlegte. "Kolyma" ist zwar in den Einzelszenen genauso spannend und stilistisch gut geschrieben, aber als Ganzes viel zerfahrener als sein Vorgänger, in sich nicht wirklich geschlossen. Eigentlich handelt es sich dabei um - mindestens - drei Einzelgeschichten, die nur recht lose miteinander verbunden sind.
In der Nach-Stalin-Ära unter Chruschtschow kämpft EX-KGB-Mann Leo Demidow anfangs gegen Menschen, die sich für erlittene Folterungen unter Stalin rächen wollen. Im Mittelteil versucht er einen Gefangenen aus einem sibirischen Gulag zu befreien und wird dort gefoltert. Und am Schluss findet Leo sich unvermittelt im Ungarn-Aufstand von 1956 wieder, um dort an der Seite der Aufständischen gegen das russische Militär zu kämpfen. Eine Amazone in Lara-Croft-Manier kommt vor und ein pubertierendes Mädchen mit kriminellem Potenzial. Das alles ergibt eine recht krude und seltsam uneinheitlich wirkende Mischung.
Es gibt eine Reihe von Bezügen zu "Kind 44", weswegen Tom-Rob-Smith-Einsteigern empfohlen sei, zunächst dieses erste Buch zu lesen. Auffällig an beiden Büchern - aber mehr noch an "Kolyma" - ist die große und sicherlich nicht immer nötige Brutalität. Würde der Stoff verfilmt, würde das einen Film mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren ergeben. Insgesamt nur bedingt empfehlenswert.
Tom Rob Smith: Kolyma.
Dumont, Januar 2009.
480 Seiten, Hardcover, 19,95 Euro.