Das mit 328 Seiten dickste Buch unseres Verlagsprogramms ist die Vampiranthologie "Ganz schön bissig ..." - die 33 besten Geschichten aus 540 Einsendungen.
Schon mit „Klang der Zeit“ bewies Richard Powers, 1957 geboren und nun in Urbana, Illinois lebend, seine Vorliebe für das große, breite Erzählen.
Auch „Das Echo der Erinnerung“, erschienen bei S. Fischer im September 2006, fordert mit 544 Seiten Durchhaltevermögen der Leser.
Während man in Powers vorherigen Romanen eine gewisse Leichtigkeit und Harmonie des Erzählens verspürt und weiß, dass jede Seite ihre Berechtigung hat, ist man sich dieser bei seinem neuen Roman nicht mehr ganz so sicher.
Allzu gewollt und konstruiert erscheinen die Schicksale der Hauptfiguren.
Mark, der durch einen rätselhaften Verkehrsunfall schwere neurologische Störungen erleidet, erkennt deshalb seine Schwester Karin nicht mehr. Diese kämpft um Marks Erinnerungen. Wie kann es sein, dass er in ihr nicht mehr die Verbündete, die einzige familiäre Vertrauensperson sieht? Wie kann sie die Verbindung zu Mark und damit zu ihrer eigenen Vergangenheit wiederbeleben?
In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an den durch viele Publikationen bekannt gewordenen Neurologen Dr. Weber, der sich schließlich wirklich Marks Fall annimmt, jedoch zunächst ohne medizinischen Erfolg.
Es sind aber nicht nur die neurologischen Fachexkurse, die durch die Figur Dr. Webers den Roman aufwerten, auch das persönliche Schicksal des Wissenschaftlers, seine Erinnerungen, seine Selbstzweifel und schließlich seine eigenen Grenzgänge zwischen Gesundheit und Krankheit sind wichtig für den Roman.
Powers schafft es, sich in jede erdenkliche Gefühlslage seiner Protagonisten einzufühlen. Zum Beispiel in Marks Erwachen in eine Welt, in der alles emotional Vertraute fremd geworden ist oder in Karins wankendes Selbstverständnis, in ihre verzweifelte Identitätsbestätigung-/findung.
Dennoch muss sich der Leser überfordert fühlen, wenn auch noch eine Kranichstation in der Mitte der USA und eine ausgepowerte Journalistin, nun als mysteriöse Schwesternhelferin arbeitend, den Takt des Romans bestimmen.
Immer wieder geht es um Erinnerungen, die die Vergangenheit in die Gegenwart rufen, allerdings mit einem so großen Stimmengewirr, dass kaum Raum bleibt, einem Schicksal intensiver zuzuhören und die Lösung des Romanschlusses harmonisch zu genießen.
Richard Powers: Das Echo der Erinnerung.
S. Fischer-Verlag, Frankfurt am Main, September 2006.
544 Seiten, Hardcover.