Da nimmt man ein Buch zur Hand, weil es eben da liegt oder wie in meinem Fall, weil es der Partner zum Geburtstag bekommen hat. Welch eine glückliche Fügung, denn eigentlich meine ich, dass ich das Buch hätte kriegen müssen. Konstantin Wecker, einer meiner Liedermacherheroen, Vorbild will ich ihn vielleicht nicht nennen, aber er brachte auch bei mir das lyrische Element in meine Arbeit. Aber um die geht es ja nicht, vielleicht ein anderes Mal. Hier geht es um einen Mann, der immer zwischen kraftstrotzender, animalischer und schweißdurchtränkter Bühnenarbeit und jenem dünnen Eis der Existenzängste und Fluchten hin und her sprang - aber heute vielleicht nicht mehr springt. Viele seiner Verse, Reime und lyrischen Bilder, zitiere ich noch aus dem ff., wie "Noch kriegt ihr mich nicht dran, es ist noch viel zu viel zu tun, auf jenem Blatt, das Lorbeer heißt, will ich nicht ruhn, ich will die Feigheit rennen sehn..." und so weiter. Und jetzt lese ich endlich mal seine Geschichte, die mir ein schlechtes Gewissen bereitet. Denn ich habe mich in all den Jahren oft in der Bewertung dieses Menschen von, sagen wir es ehrlich, Klatsch und Tratsch und wirren Koksgeschichten und - Gerüchten, beirren lassen, was mir heute leid tut. Denn ich hätte alles besser wissen müssen. Hier geht es um eine hochsensible Vita, geprägt von christlich, spiritueller und hochintellektueller, humanistischer Einstellung, geprägt von einem Elternhaus, welches in finsteren deutschen Zeiten den Rücken grade hielt. Trotz oder deswegen, wie so oft, muss der Jugendliche Konstantin sich reiben, an den Verhältnissen im dumpfen Bayern München, er bricht aus und das bis heute. Es ist für mich ein wichtiges Buch, weil ich seit den Siebzigern auch gegen die Verhältnisse anschreibe und -singe, und ich weiß durch dieses Buch, wie tief man als Künstler fallen kann, wenn man sich ganz oben wähnt. Ein Popstar des kritischen Songwritings zu sein, davon darf man träumen, klar, aber die Extreme, die Nähe zwischen Genie und Wahn, kann eine Persönlichkeit zerrütten. Schön, dass er es geschafft, zu überleben. Das war wohl nicht leicht - eine Quintessenz aus diesem Buch, denn ich denke das will er vermitteln. Was mich vielleicht ein wenig stört, ach eher überhaupt an Autobiographien, sind die vielen Zitate von Philosophen, die das grade Gesagte, entweder einleiten oder bestätigen, bzw., dass man nun nach dieser oder jener Weisheit, sein Leben geändert hätte. Mir kommt es so vor, und wahrscheinlich stimmt das auch, dass da ein Buch existiert für Autoren, die für jeweilige Lebenslagen philosophische Zitate brauchen. Früher machte mir das immer ein schlechtes Gewissen, denn ich habe tatsächlich gedacht, die hätten alle diese Philosophen komplett studiert. Alles Quatsch. Heute weiß ich selbst wie das geht. Bewundernswert, das Editorial: eine Aufzählung seiner bisherigen Arbeit, und das ist wirklich unglaublich - da fragt man sich, woher hat (hatte) er all die Energie?
Ich freue mich jetzt jedenfalls auf einen gemeinsamen Auftritt im Juli 2009 bei "Songs an einem Sommerabend" in Oberfranken. Da werde ich mich wohl ganz klein fühlen. Und er wird mich fragen "Warum" oder "Um was geht es eigentlich im Leben?" Stimmt.
Konstantin Wecker: Die Kunst des Scheiterns.
Piper, Januar 2009.
237 Seiten, Taschenbuch, 8,95 Euro.