Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
Bibi Chen, exzentrische chinesische Kunsthändlerin aus San Francisco, wird tot in ihrem Laden aufgefunden. Das ist Pech, denn eigentlich wollte sie eine Gruppe von zwölf Reiselustigen nach Burma begleiten. Doch ganz ohne sie wird dieses Abenteuer nicht stattfinden. Bibi verlässt ihre sterbliche Hülle und folgt der Gruppe fortan als Geist. Doch gewisse Pannen kann auch sie nicht verhindern. Immer wieder stolpern die zwölf Freunde in prekäre Situa-tionen, sei es aus Unkenntnis der lokalen Sitten oder aus Naivität und Abenteuerlust. Brisant wird es, als sie von einem rebellischen Volksstamm in ein abgelegenes Dschungeldorf verschleppt werden, wo man einen von ihnen für einen Heilsbringer hält ...
Der deutsche Titel ist etwas irreführend - Bibi Chen spukt nicht als Gespenst durch die Handlung, sondern funktioniert quasi als allwissende Erzählerin, die die Geschehnisse mit trockenem Humor kommentiert und nur selten eingreift. (Im Original heißt das Buch „Saving Fish from Drowning“.) Andere Geister gibt es genug, denn die „Nats“ sind allgegenwärtig im Volksglauben Burmas. Dies und anderes zur Kultur des Landes erfährt man beim Lesen nebenbei. Dabei gelingt der Autorin die Gratwanderung zwischen locker-phantastischer Abenteuergeschichte und politischer Problematik: Diktatur und Unterdrückung werden nicht ausgeblendet. Eingeflochten sind viele amüsante Nebenhandlungen, auch die zwölf Abenteurer und ihre zwischenmenschlichen Verflechtungen bringen den Leser immer wieder zum Schmunzeln. Richtig skurril wird es z. B., wenn die Bewohner des Urwalddorfes mittels generatorbetriebenen Fernsehers eine Dschungelcamp-Show anschauen ...
Ein trotz seines Umfangs rundum lesenswertes Buch, das sich auch als Leitfaden für Burmareisende eignet und nie in Ethno-Kitsch abgleitet.
Amy Tan: Der Geist der Madame Chen.
Goldmann Verlag, München, Juni 2006.
500 Seiten, Hardcover.