Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Thomas Plischke: Die Zwerge von Amboss - Die Zerrissenen Reiche 1
Der Prolog macht uns mit dem obersten Vorarbeiter der Zwerge bekannt, der um seine Wiederwahl besorgt ist. Bevor man sich aber in den vielen angesprochenen Details zurechtfindet, fängt die eigentliche Geschichte an.
Der Komponist Namul Trotz wird ermordet aufgefunden, alle Indizien deuten darauf, dass sein Haushälter, ein Mensch, mit dem er offenbar auch eine Beziehung unterhielt, der Täter ist. Sucher Garep Schmied und sein Gehilfe Bugeg (wie kommt man auf so herrliche Namen?) werden mit den Ermittlungen betraut. Kurz darauf geschieht ein weiterer Mord. Schnell wird allen klar: Da stecken die Menschen dahinter, sie lehnen sich offenbar gegen die Zwerge auf, denen sie dienen müssen. Mehr und mehr Menschen sind in den letzten Jahren in den Zwergenbund geflohen, weil ihre eigenen Länder, die zerrissenen Reiche, sich in Religionskriegen zerfleischen. Jede Gruppe legt die heiligen Schriften nach Gutdünken aus und meint, die Wahrheit gepachtet zu haben.
Der ehrgeizige Anwärter Bugeg, der darauf brennt, selbst zum Sucher ernannt zu werden, ist offen rassistisch; zeigt Hass und Vorurteile gegen die Menschen, während Garep den Tod seiner Gefährtin vor zwanzig Jahren nicht überwunden und den Kopf in den Wolken - oder im Rauch der Blauflechten hat.
In einem weiteren Handlungsstrang lernen wir Siris, den Großwildjäger kennen, der um seine Schwester Sira besorgt ist, die seit einiger Zeit im Zwergenbund lebt. Und dann ist da noch Himek Steinbrecher, ein junger Leiböffner (Arzt), der in einer Heilanstalt für geistig verwirrte Menschen und Halblinge, das Brudervolk der Zwerge, arbeitet, in der es nicht mit rechten Dingen zugeht. Wie die Handlungsstränge miteinander im Zusammenhang stehen, soll hier nicht verraten werden.
Die Mischung aus Fantasy, Krimi und Thriller weicht von den üblichen Schemen ab und ist eine gelungene Kombination. Eine faszinierende Welt hat Thomas Plischke zusammen mit seinem Partner Ole Johan Christiansen Über Jahre entwickelt; eine Karte im Buch erleichtert beim Lesen die Orientierung. Von den zerrissenen Reichen erfährt man in diesem ersten Band nicht viel, dafür umso mehr vom Zwergenbund. Die Gesellschaft der Zwerge ist straff organisiert, Arbeit und Fleiß werden belohnt, jeder mit seinem Beruf oder Rang angeredet (das wirkt allerdings leicht ermüdend über fast fünfhundert Seiten). Die perfekte Gesellschaft zeigt jedoch Risse; durch den Einsatz von mehr und mehr Maschinen gibt es nicht genug Arbeit für alle, Armut und Unzufriedenheit breiten sich aus und im Hintergrund agieren Intriganten. Da kommen die Menschen als Sündenböcke gerade recht. Ich fand es faszinierend, dass den Menschen mit den gleichen Vorurteilen begegnet wurde, die sie sonst gegenüber andere, vermeintlich Unterlegene, hegen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass der Autor den Hass und die Vorurteile von Bugeg näher begründet, in dieser Stärke war es für mich nicht immer nachvollziehbar. An Garep als Figur ist der Leser näher dran, er ist runder und besser nachvollziehbar; Sira entwickelt sich zu einer interessanten Figur, die nicht alle ihre Geheimnisse preisgibt.
Es gibt Wortschöpfungen, die sind köstlich; so werden junge Zwerge als „Kiesel“ bezeichnet. Belobigungsformeln wie „Deine Arbeit wird Bestand haben“ sind schlüssig durchdacht, leiden allerdings durch häufige Wiederholungen. Einige Passagen sind mit Details überfrachtet und auch manche Sätze hätten noch eine Entschachtelung vertragen. Hier ist der Autor der Versuchung erlegen, gleich im ersten Band so viele wie möglich von seiner Welt zu zeigen; da es der Auftakt einer Serie ist, hätte man manches auf spätere Bände verteilen können. Was sich mir nicht erschließt, ist, dass die Zwerge einerseits Operationen durchführen, aber nur Gaslicht kennen.
Wie die Handlungsstränge zusammen gefügt werden, ist hingegen spannend und teilweise verblüffend, wobei für mich bei dem offenen Ende einer davon etwas in der Luft hängt. In jedem Fall hat dieser Serienauftakt mich neugierig auf Band zwei gemacht, ich muss wissen, wie es mit Garep und einigen anderen Figuren weiter geht.
Thomas Plischke: Die Zwerge von Amboss - Die Zerrissenen Reiche 1.
Piper, Oktober 2008.
480 Seiten, Taschenbuch, 8,95 Euro.