Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
Paris war auch 1348 einige Sünden wert, das muss der junge Dominikanermönch Ranulf erfahren, der zum Studium aus seinem Kölner Kloster dorthin geschickt und beinah sofort in die Reihen der Inquisition aufgenommen wird. Denn es ist ein Mord an einem Mitbruder der Dominikaner zu untersuchen, der eine geheimnisvolle letzte Botschaft hinterlassen konnte. Ranulf muss sich zur Untersuchung in die Reihen der käuflichen Frauen, der Reeder und ihrer Eheweiber, der jüdischen Geldverleiher und der Folterknechte der Inquisition begeben, und wird mehr als einmal versucht, während die Pest um ihn herum bereits beginnt, die Stadt zu behauchen.
Dieses Buch ist eine unerwartete Entdeckung. Denn Cay Rademacher ist es gelungen, einen durchweg spannenden Krimi mit einer unerwarteten Auflösung zu schreiben, sogar den Untersuchenden zur Hauptfigur zu machen und trotzdem das, was der mittelalterliche Mensch als »Logik« kannte, niemals zu vergessen oder zu verlassen. Der Roman ist in der Ich-Form geschrieben und Ranulf lässt den Leser an seinen Überlegungen und Erkenntnissen ebenso teilhaben, wie er ihn in die mittelalterliche Denkweise einführt. Bibelstellen, der Name Gottes, der vierfache Schriftsinn: All das sind für Ranulf alltägliche Selbstverständlichkeiten und der Autor flicht sie geschickt ein, ohne jemals auch nur annähernd belehrend daherzukommen.
Ranulf entwickelt sich vom naiven Mönchlein, der nie über die Mauer seines Kölner Klosters gesehen hat zu einem Mann, der immerhin in der Lage ist, trotz seiner eigenen Verwicklung in die Dinge die Taten der Inquisition mit kritischen Augen zu sehen, ohne jemals an der Sache selbst, an der Sache Gottes zweifeln zu müssen. Er weiß sehr genau zu trennen zwischen seinen Zweifeln an den Männern der Kirche und eben keinen Zweifeln an Gott und der Institution Kirche selbst.
Fazit: Ausgesprochen lohnendes Buch, bei dem der Autor historische und schreiberische Fachkompetenz beweist.
Cay Rademacher: In Nomine Mortis.
Lübbe, 2009.
496 Seiten, Taschenbuch, 8,95 Euro.