Schuld und Unschuld, Hoffnung und Tod, Krieg und Kunst – das sind die kraftvollen Gegensatz-Themen in Adam Thorpes „Die Regeln der Perspektive“.
Der britische Autor (50), der mit diesem Werk seinen fünften Roman vorlegt, beschreibt auf 460 Seiten nur einen einzigen Tag. Einen Ausnahmetag allerdings: den 3. April 1945, als die Amerikaner das fiktive deutsche Städtchen Lohenfelde bombabieren und dort einmarschieren.
Der Text bezieht seinen Reiz vor allem aus den Gegensätzen der Perspektive (Bezug zum Titel). Einerseits begleitet der Leser vier Deutsche, die sich im Keller eines Museums vor den Bomben verstecken, andererseits einen amerikanischen Soldaten, der sich vor Heckenschützen fürchtet.
Die beiden Parteien treffen sich nie oder zumindest nicht lebend. Denn als der Soldat die Kellerräume des Museums betritt, sind die vier Deutschen bereits tot – verbrannt von den Auswirkungen einer Phosphorbombe. Dass sie sterben, wird bereits auf den ersten Seiten des Buches klar. Vielleicht ist dies ein Manko, denn es nimmt einen Teil der Spannung im weiteren Lese-Verlauf.
Was alle handelnden Figuren eint, ist ihre Liebe zur Malerei: Der im Keller wartende Museumsdirektor Hoffer hat Bilder vor den Nazis versteckt, der Amerikaner Parry, selbst Maler, stiehlt ein Bild, das er unversehrt im Keller findet, um es später zu Geld zu machen. Und noch eine dritte Romanfigur, der SS-Sturmführer Bendel, hegt eine fast manische Bewunderung für eines der Museums-Kunstwerke, einen van Gogh.
Die Verbindung Kriegsschrecken und Kunst wirkt zuweilen etwas konstruiert. Etwas sonderbar mutet zudem an, dass fast alle Romanfiguren mit schweren Darmproblemen zu kämpfen haben. Kurz gesagt: Sie machen sich permanent in die Hose.
Dennoch: „Die Regeln der Perspektive“ ist ein spannendes und empfehlenswertes Buch.
Adam Thorpe: Die Regeln der Perspektive.
Atrium-Verlag, Zürich, September 2006.
464 Seiten, Hardcover.