Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Der Amsel-Mann und die Made Eine (blöde) April-Geschichte von Reinhard Mermi
Der Amsel-Mann flatterte zum Komposthaufen hinüber. Es roch nach seinem Leibgericht, fette Maden. Mit Begierde beharkte er die Kompostschicht und verstreute sie in alle Richtungen. Er war fündig geworden und hatte einen Maden-Gang frei gelegt.
Er konnte die Made zwar sehen, aber unglücklicherweise mit seinem Schnabel nicht ergreifen.
Eine helle Stimme schallte ihm aus dem Maden-Gang entgegen. "Einen wunderschönen guten Morgen, Herr Amsel! – Wie ist das wehrte Befinden?"
Der Amsel-Mann stutzte ob der unerwarteten Begrüßung. Er überlegte und erwiderte listig. "Ah, Herr Made, hätten sie wohl die Gütigkeit, für einen kurzen Moment aus ihrem Gang hervor zu kommen? - Es plaudert sich dann besser," dabei linste er mit einem Auge in den Madengang und hüpfte ungeduldig von einem Bein auf das andere.
Die intelligente Made roch natürlich den Braten, und wollte nicht als selbiger ihr Leben beschließen. "Nun, die Apriltage sind doch noch etwas kühl und ich habe die Befürchtung, dass ich mich draussen erkälten könnte. Ich bitte um Verständnis, wenn ich im Warmen bleibe."
"Ganz schön clever dieser Wurm", dachte Herr Amsel bei sich. "Da bleibt noch ein gutes Stück Arbeit". Er bemerkte den roten Wollfaden, den die Made ähnlich einer Schärpe um ihren Körper trapiert hatte. "Was tragen Sie da für - äh – ein buntes Ding um ihren Körper?"
"Ich habe heute die Insignie für meinen Professoren-Titel angelegt, mein Wertester." Bei diesen Worten schwoll sichtlich jeder Fettring am Körper der Made an - "man muss sich ja von den gemeinen Mit-Maden abheben – schließlich ist man wer."
Bei den letzten Worten schien die Made nunmehr vor Selbstgefälligkeit endgültig zu zerplatzen. Dem Amsel-Mann konnte sie damit allerdings nicht sonderlich imponieren. Mit oder ohne akademischen Titel – sie würde ihm gleich gut schmecken.
"Und was ist ihr Betätigungsfeld, mein lieber Herr Amsel?" – heuchelte die Made.
Der Amsel-Mann wollte nicht zurückstehen und antwortete – "ich bin Liedermacher, Verehrtester. Tagsüber komponiere ich und am Abend sowie am darauf folgenden Morgen bringen dann meine Frau und ich unsere Neuschöpfungen zum Besten." Und er legte noch nach – "wir bauen derzeit, sind deshalb vollkommen im Stress! - diese Baupreise! - für zehn Nisthalme nehmen die Baustoffhändler fünfzehn Maaa - äh - ich meine fünfzehn Mücken!"
Die Made verstand sehr wohl, lächelte in sich hinein und setzte nach -"könnten Sie vielleicht nicht eines ihrer Lieder zum Vortrag bringen? – Sie würden mir damit eine große Freude bereiten."
Der Amsel-Mann fühlte sich nunmehr seinerseits sichtlich geschmeichelt. Er setzte sich in Positur, gleich dem Gockel auf dem Mist. Aber, wie er sich mühte, er brachte nur ein jämmerliches Gekrächze zu stande. "Ich bin heute leider indisponiert", versuchte sich der Amsel-Mann zu enschuldigen.
"Jetzt hab’ ich dich", dachte die Made bei sich und spielte die Mitfühlsame. "Darf ich ihnen eine Husten-Pastille delizieren?" Mit diesen Worten gab sie dem blauen Kügelchen neben sich einen Stoß, so dass es direkt vor den Füßen des Amsel-Mannes zu liegen kam. "Aber bitte, nehmen sie sich in Acht, sie kennen ja den Werbespruch – sind sie zu stark, dann bis du zu schwach!" Die Made ließ ihr öliges Lachen hören und schüttelte dabei ihre Fettringe.
"Ich bitte um ihr Verständnis, aber ich nehme nichts von Unbekannten – ich habe da meine Grundsätze!" sprach der vorsichtige Amsel-Mann.
"Jetzt beleidigen sie mich aber," die Made spielte dabei die Gekränkte und fuhr fort – "jetzt lege ich noch eine Pastille für die gnädige Frau Gemahlin drauf. Die können sie später mitnehmen, wenn sie ihre Komposition zum Besten gegeben haben. – Nun legen sie schon los!" drängte die Made nochmals den Amsel-Mann.
Soviel Anteilnahme an seinem künstlerischen Schaffen benebelte die Sinne des Amsel-Mannes nunmehr vollends, und ohne weitere Bedenken schluckte er die Pastille.
"Mein Bester, fühlen sie sich nicht wohl?" – fragte die Made mit eiskaltem Unterton in der Stimme.
Der Amsel-Mann krümmte sich vor Schmerzen – "was haben sie mir da gegeben?"
Die Made ließ jetzt die Maske der Höflichkeit fallen - "das war Blaukorn, du dämlicher Flattermann! – Ich bin Gift-Experte! - Du musst schon früher aufstehen, wenn du Professor Made aufs Kreuz legen willst!"
In seinen letzten Zügen flog der Amsel-Mann noch einmal auf, und fiel dann stumm neben dem Komposthaufen tot zu Boden.
Die Made lachte sich vor Schadenfreude schier zu Tode. Sie hatte allerdings übersehen, dass die Ereignisse der letzten Minuten von einem Dritten unbemerkt mitverfolgt worden waren. Sie hatte jegliche Vorsicht beiseite lassen. Und als sie vor Gepruste und Gekichere aus ihrem Versteck rollte und dabei vom Komposthaufen fiel, landete sie unglücklicherweise direkt vor der Schnauze des hungrigen Igels, der gerade aus dem Winterschlaf erwacht war. Das letzte Geräusch, das sie vernahm, war ein wohliges Schmatzen.
Und die Moral von der Geschicht’?
Jeder kann sich selbst einen Reim drauf machen – APRIL,APRIL!
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