Ganz schön bissig ...
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Mai 2001
Die Abrechnung
von Annemarie Nikolaus

Mit einem Aufschrei erwachte Bankdirektor Michele Perini.
"Oddio, Michele, was träumst Du nur wieder!" Seine Frau Carla schaltete seufzend ihre Nachttischlampe an. "Wenn das noch ein paar Nächte so weitergeht, schlafe ich lieber im Gästezimmer. Nicht nur, daß du wimmerst wie ein verlassenes Katzenbaby; jetzt schlägst du auch noch um dich." - Sie sah ihn besorgt an: "Wieder der gleiche Traum?"
"Ja; - und sie kommt jede Nacht näher! Ich laufe und laufe, aber ich kann ihr nicht entkommen. Diesmal hat sie schon ihre Arme nach mir ausgestreckt. Ich habe ihren Atem in meinem Nacken gespürt. Und dann, ein tiefer Abgrund - es gab keinen Ausweg. Entsetzlich! Nichts kann mich vor ihrem Zorn retten! - - Vielleicht sollte ich nicht mehr so viel essen, wenn ich erst spät nachhause komme."
"Vielleicht solltest du nicht mehr so spät nachhause kommen."
"Ach Liebes, ich kann doch meine Leute nicht mit dem Staatsanwalt alleine lassen. Das wäre nicht fair. Ein paar Tage nur noch; dann ist dieser Alptraum vorbei. Ich bin sicher, niemand in der Bank war an der Geldwäsche beteiligt."
"Dann könntest du doch eigentlich ruhig schlafen," entgegnete Carla. "Aber warum erscheint dir nie der Staatsanwalt im Traum; wieso wirst du von der Gräfin verfolgt?"
Michele starrte aus dem Fenster: Der Vollmond ließ die beigen Mauern von Schloß Madruzzo wie einen Schattenriß auf dem Berg gegenüber thronen.

Als Michele die Bank betrat, stürzte Conte Fernando de Negri auf ihn zu: "Direttore, ich warte schon seit einer Stunde; ich muß Sie unbedingt endlich sprechen."
"Ich bedaure es außerordentlich; das wissen Sie. Bitte, machen Sie sich doch nicht die Mühe, jeden Morgen persönlich zu kommen. Sowie die Akten freigegeben werden, setze ich mich mit Ihnen in Verbindung."
Michele wandte sich eilig seinem Büro zu. Einer der Männer von der Finanzpolizei fragte ihn: "Was will denn der junge Mann, der hier immer auf Sie wartet?"
"Geld," brummte Michele. "Was will man sonst von einer Bank?"

In der darauffolgenden Woche stieg der Bankdirektor schwer atmend die steile Porphyrtreppe zum ersten Stock von Schloß Madruzzo hoch. Die Familie des Grafen hatte die Etage zur Hälfte restauriert und mit Bad und Heizung ausgestattet.
Die Treppe entlang hingen die Bilder der Vorfahren; düstere Gemälde bis auf eines: Contessa Marcella de Eccher, die Großmutter Fernandos, war nicht nur mit einem Aquarell vertreten, das sie als junges Mädchen zeigte, sondern auch mit einem Porträtfoto, das vermutlich kurz vor ihrem Tod aufgenommen worden war. Genauso sah sie immer in Micheles Träumen aus…
"Sie wirken erschöpft, Direttore," hörte er die Stimme Fernandos aus dem Kaminzimmer. "Um so mehr bin ich Ihnen dankbar, daß Sie sich die Mühe gemacht haben, so spät noch zu kommen."
"Nun, so sind wir wenigstens ungestört und können in aller Ruhe die Dokumente gemeinsam sichten. Sie werden sehen, Ihre geschätzte Großmutter hat leider ein wenig Unordnung hinterlassen. Ich habe mir daher erlaubt, die Akten ein wenig zu sortieren."
"Wichtig ist ja nur, daß die Unterlagen vollständig sind; alles andere wird sich finden."
Bis tief in die Nacht saßen sie über den Belegen für die umfangreichen Aktiengeschäfte, die die alte Gräfin in den letzten Jahren getätigt hatte. Hin und wieder schauten sie einander verblüfft an, wenn sie auf eine besonders gelungene Spekulation gestoßen waren.
"Es ist wirklich faszinierend;" sagte der Bankdirektor schließlich, "man möchte meinen, Ihre Großmutter habe einen Sechsten Sinn fürs Aktiengeschäft gehabt."
"Aber was hat sie am Ende mit all dem Geld gemacht?" fragte Fernando.
"In unserer Bank befindet es sich jedenfalls nicht."
"Sie haben aber auch keine Belege dafür mitgebracht, daß ihr alles ausgezahlt worden ist."
"Es gibt kein Konto, auf dem die übriggebliebenen Aktiengewinne verbucht sind; also ist das Geld auch nicht da."
Fernando seufzte: "Wir brauchen das Geld so dringend. Bis zum Herbst müssen wir das Dach und den Turmflügel restaurieren; ein weiterer Sturmwinter wie der letzte und es fällt alles ein. – Jedenfalls, so geht es nicht, Direttore. Es muß weitere Unterlagen geben; das, was Sie hier mitgebracht haben, kann nicht vollständig sein."
Michele schüttelte den Kopf: "Sie wissen doch selbst, daß die Finanzpolizei in den letzten Wochen jedes Stück Papier in der Bank dreimal umgedreht hat. Wenn weitere Unterlagen existierten, wären sie auch gefunden worden."
"Aber nicht doch. Man findet nichts, wonach man nicht sucht!"

Am nächsten Morgen fand Carla., die seit einigen Nächten im Gästezimmer schlief, ihren Mann tot im Bett. "Herzschlag, " stellte der Hausarzt fest. "Dabei war er doch noch kerngesund!"
Einige Tage darauf brachte ihr Micheles Sekretärin seine persönlichen Dinge aus der Bank. Als Carla sie durchsah, stieß sie auf einen schmalen Aktendeckel mit der Aufschrift "Marcella de Eccher".

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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