Sexlibris
Sexlibris
Wo ist die Grenze zwischen Pornografie und Erotik? Die 30 scharfen Geschichten in diesem Buch wandeln auf dem schmalen Grat.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Olaf Deutz IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
Mai 2001
Jagderlebnisse
von Olaf Deutz

"Verdammte Scheiße!" fluchte George und zog mit einem unappetitlich schmatzenden Geräusch seinen Fuß aus einem der Schlammlöcher, die in den Schottischen Highlands zuhauf unter dem Gras lauerten.
"Das war jetzt das dritte Mal hintereinander", schimpfte George weiter.
"Wieso latschst du eigentlich nie in diese Löcher?" wollte er von seinem Gegenüber wissen. Dieser lachte schallend.
"Keine Ahnung, warum gerade du dir die Füße immer einsauen mußt."
"Hähä" witzelte George, "sehr lustig."
Arthur gab seinem Freund einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, der George fast wieder in das Schlammloch befördert hätte.
Arthur war schon eine beeindruckende Gestalt. Annähernd sechseinhalb Fuß groß und der beste Rugbyspieler seines Jahrgangs. Sein sportlicher Erfolg schlug sich natürlich auch in der Beliebtheit bei den Mädchen nieder.
George hingegen wirkte eher wie der geborene Verlierer. Er war von seiner Statur her schmächtig und bei weitem nicht so sportlich wie sein Freund.
Wenn Arthur meist ausgelassen und fröhlich wirkte, machte George eigentlich immer einen nachdenklichen Eindruck.
Nachdem George sich den größten Teil des Schlammes von seinem Schuh gewischt hatte, machten sich beide wieder auf den Weg. Arthur grinste, als er hörte, wie sein Freund hinter seinem Rücken leise vor sich hin fluchte.

Gegen Mittag erreichten sie den kleinen Ort Braemar. Hier hatten sie während der nächsten Woche vor, sich die berühmten Highland Games anzusehen, zu denen selbst Mitglieder der königlichen Familie erwartet wurden und das, so waren sich die beiden Freunde einig, hätte man diesem Provinznest gar nicht zugetraut.
George und Arthur atmeten noch einmal tief durch und machten sich auf die Suche nach einer geeigneten Unterkunft für die nächsten Tage.
Über die Dächer des Städtchens ragten die alten, modrigen Mauern von Braemar Castle empor. Einen Moment lang verharrten beide und sahen voller Ehrfurcht zu diesem einstmals prunkvollen, doch mittlerweile heruntergekommenen Bauwerk, empor. Während Arthur sich schon anschickte, ihren Weg fortzusetzen, konnte George seine Blicke nur mühsam von diesem alten Gemäuer abwenden.
Sie folgten weiterhin der holprigen Hauptstraße, bis sie auf ein Haus zuschlenderten, an dem, ein altes, rostiges Schild prangte, auf dem zu lesen war: "Braemar Batcave - Pub and Bed & Breakfast"
Als sie sich dem Gebäude näherten, wurde unvermittelt die Tür zum Schankraum aufgerissen. Ein mit einer schmuddeligen Schürze bekleideter, grimmig aussehender Mann stapfte auf die Straße hinaus. Eilig kramte er in seinen Taschen herum und förderte einen Schlüssel zu Tage.
"Hallo, Sir", sprach ihn Arthur sofort an. Doch nachdem der Wirt die Tür zum Gasthaus verschlossen hatte, eilte er an den verdutzt dreinblickenden Freunden vorbei, ohne sie zu beachten.
Arthurs sonst so fröhliche Miene verdüsterte sich zusehends.
"Was ist denn hier los? Haben die hier was gegen Stadtmenschen?"
George zuckte mit den Schultern. "Kann doch sein, daß hier etwas passiert ist, denn sehr fröhlich sah der Wirt eben doch wirklich nicht aus."
"Wahrscheinlich hast du recht", stimmte ihm Arthur zu und marschierte los.
George sah ihm nach. "Wo willst du hin?"
Arthur wandte sich um. In seinem Gesicht spiegelte sich erneut jene Fröhlichkeit und Zuversicht wieder, die George kurz zuvor noch vermißt hatte.
Seufzend sah George zu, wie Arthur mit langen Schritten, dem Wirt auf den Fersen, ihm in eine Seitenstraße folgte. George schüttelte resigniert den Kopf, als er seinem Freund langsam hinterher ging.

George erreichte einen kopfsteinbepflasterten Marktplatz. In dessen Mitte hatte man, vor einigen hundert Jahren oder so, einen Brunnen errichtet, auf dessen Rand nun ein grimmig aussehender Mann stand. Er hielt ein Mädchen in den Armen, welches kaum mehr als zehn Jahre alt sein konnte. Man hatte ihm die Handgelenke bandagiert, wie bei einer, die sich selbst die Pulsadern aufgeschnitten hat. Um die beiden hatte sich nahezu die Hälfte der Bewohner dieses Nestes versammelt. Endlich entdeckte George seinen großen Freund, der etwas abseits stand und das Treiben der Menge aus sicherer Entfernung beobachtete.
"Was ist denn hier los?", fragte George. Die Neugier schien ihn nun ebenfalls gepackt zu haben.
"Weiß nicht genau." Arthur sah immer noch gespannt dem Treiben auf dem Marktplatz zu. "Soviel ich verstanden habe, hat irgend ein Verrückter versucht die Kleine da oben ausbluten zu lassen. Ihre Handgelenke sollen wirklich übel ausgesehen haben." George verzog das Gesicht, als sei ihm auf einmal schlecht geworden.
"Du meinst, hier treibt ein irrer Mörder sein Unwesen?" George sah ungläubig zu Arthur auf, der seine Aufmerksamkeit wieder dem Treiben auf dem Marktplatz widmete.
"So ungefähr. Und wenn mich nicht alles täuscht, will die ganze Bande jetzt losziehen, um diesen Bastard zu suchen."
Tatsächlich rief der Mann mit dem Kind zur Hetzjagd auf.
Die Menge johlte, so als hätte sie den Täter schon so gut wie gefunden.
"Mensch George!" Da war es wieder, jenes hämische Grinsen, welches Arthur immer anhaftete, wenn er im Begriff war, etwas völlig Irrsinniges zu tun. "Wir machen ganz einfach mit bei der Jagd." George stand die Skepsis, was diese Sache anging, förmlich ins Gesicht geschrieben.
"Was meinst du denn, was passiert, wenn sie ihn finden?"
"Keine Ahnung, wahrscheinlich werden sie ihn am nächsten Baum aufknüpfen."
Wenn George gerade noch etwas kränklich wirkte, sah es jetzt danach aus, als würde er sich jeden Moment übergeben. Er schluckte schwer, bevor er noch einmal nachhakte. "Meinst du wirklich?"
"Klar", lachte Arthur und gab George einen seiner freundschaftlichen Klapse, der seinen schmächtigen Gefährten jedoch arg ins Wanken brachte.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sich George die Schulter, als Bewegung in die Menschenmenge kam.
Georges Proteste ignorierend, zog Arthur ihn einfach mit.

Sie waren mittlerweile schon einige Stunden unterwegs, und die Dämmerung war nicht mehr fern. Dunkle Wolken zogen auf und kündigten einen nahen Wetterumschwung an.
Die Euphorie der Männer war bei vielen der Resignation gewichen. Die ersten hatten sich bereits auf den Rückweg gemacht, um vor Einbruch der Nacht bei ihren Familien zu sein.
Was die Konversation mit den Dorfbewohnern anging, so hatten sich die letzten Stunden für George und Arthur als wenig ergiebig erwiesen. Irgendwie schien man hier den Menschen aus der Stadt nicht so recht über den Weg zu trauen. Aber wenigstens hatte man sie noch nicht verjagt.
Dann kam der Regen. Erst war es wenig mehr als ein kaum spürbares Nieseln, das sich jedoch binnen einer halben Stunde zu einem waschechten Wolkenbruch entwickelte. Schwere Tropfen pladderten herunter. Nach nur wenigen Sekunden war ein jeder naß bis auf die Haut.
Die Moral der Truppe schien nun endgültig gebrochen. Selbst George und Arthur sehnten sich nach einem warmen Zimmer und trockener Kleidung.
"Vielleicht hat dieser ominöse Gasthof ja noch geöffnet, wenn wir wieder in Braemar sind", sagte George, der müde hinter seinem Freund herstapfte.
"Dann könnt ihr zwei auch gleich hier bleiben."
George sah sich überrascht um. Der Rädelsführer der Männer hatte sich zum ersten Mal an sie gewandt. "Ben müßte bereits zu Hause sein und wird friedlich schlummern, wenn wir zurück sind. Er wird euch also kaum die Tür öffnen oder die Zimmer herrichten."
"Vielleicht findet sich jemand anders, der uns für eine Nacht bei sich aufnimmt", hakte Arthur nach.
"Das glaube ich kaum", meinte der Mann, "oder würdet ihr jemand in euer Haus bitten, wenn ihr wüßtet, daß sich in dieser Gegend ein Vampir herumtreibt?"
"Was!?" George starrte den Mann ungläubig an, während Arthur herzhaft zu lachen begann.
Jetzt war es an ihrem Gegenüber, die beiden verdutzt anzusehen. "Was dachtet ihr denn, was wir hier jagen?"
"Und was jetzt?", wollte George wissen.
"Ich weiß ja nicht , was ihr noch vorhabt", entgegnete der Mann, "aber wir gehen jetzt nach Hause."
Während Arthur noch immer Schwierigkeiten damit hatte, sich zu beruhigen, bohrte George weiter: "Aber wo sollen wir denn jetzt übernachten?"
Im Gehen wandte sich der Mann ein letztes Mal um. "Versucht es doch mal im Schloß!"
Die beiden Freunde sahen zu, wie sich die Männer immer weiter entfernten, um schließlich von einem undurchdringlichen Schleier aus Regen und Dunkelheit verschlungen zu werden. So langsam verging Arthur das Lachen. Scheinbar mißfiel ihm der Gedanke, daß man sie buchstäblich im Regen stehen gelassen hatte.
Beide sahen sich um. In welcher Richtung mochte das Schloß jetzt liegen? Schließlich entdeckten sie über einem kleinen Wäldchen die Umrisse von Braemar Castle.

Als die beiden Freunde schließlich vor den Toren der Burg standen, waren sie sich eigentlich sicher, daß sie kein einziges, trockenes Kleidungsstück mehr in ihren Rucksäcken finden würden.
Arthur suchte nach einem Türklopfer oder etwas ähnlichem, fand jedoch nur einen neumodischen Klingelknopf mit eingebauter Kamera. "Na, wenigstens haben die hier Strom", witzelte er, als er den Knopf tief und lange drückte.
"Wer wohnt hier eigentlich?", fragte Arthur.
"Wenn ich meiner triefend nassen Broschüre trauen darf, dann gehört es heute den Farquharsons of Invercauld oder so." George wrang das bunte Heftchen demonstrativ aus.
Nach schier endlosen Minuten öffneten sich die schweren Torflügel und ein alter, totenbleicher Mann in schwarzem Anzug beäugte die durchnäßten Besucher.
"Wir haben geschlossen", verkündete er knapp, "die Öffnungszeiten können Sie der Plakette unten am Haupttor der Burgmauer entnehmen. Gute Nacht!" Sogleich schickte er sich an, die wuchtige Tür wieder ins Schloß zu schieben, doch Arthur kam ihm zuvor: "Sir, bitte warten Sie einen Augenblick!" Der Alte verharrte einen Moment, also holte Arthur weiter aus: "Sir, wir sind zwei Studenten aus London und wurden auf dem Weg nach Braemar von diesem Wolkenbruch überrascht. Hätten Sie freundlicherweise ein trockenes Plätzchen für die Nacht, das Sie uns anbieten können, Sir?"
Einen langen Moment sah der Alte die Beiden durchdringend an.
"Warten Sie hier." Mit diesen Worten schloß er die Tür.
Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis endlich wieder jemand die Tür öffnete. Diesmal begrüßte sie ein deutlich jüngerer Mann um einiges herzlicher als der Alte, obwohl er genau so bleich zu sein schien.
"Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?"
Nachdem ihm Arthur ihre mißliche Lage dargelegt hatte, bat sie der bleichgesichtige Mann sofort herein.
Wie erwartet ließ sich der Bleiche, der sich im nachhinein als Malcolm Farquharson vorstellte, zu einer kleinen Führung durch das alte Gemäuer hinreißen, die in der Küche ihr Ende fand, wo es, wie selbstverständlich, einen kleineren Imbiß gab.
Gleich darauf brachte Malcolm die beiden Freunde auf ein eigens für sie hergerichtetes Zimmer.
Das Zimmer konnte man nur pompös nennen. Andächtig sahen sich beide um. Neben reich verzierten Wandvertäfelungen und einem ebensolchen Schrank, war das dominierende Möbelstück das Himmelbett. Die Liegefläche war nahezu quadratisch und so groß, daß bequem vier Leute darin hätten schlafen können. Der Fußboden bestand aus dunklem, polierten Fels. In die nördliche Wand hatte man einen Kamin eingelassen, in dem nun ein gerade entzündetes Feuer gemütlich vor sich hin knisterte.
Schließlich brach Arthur das Schweigen. "Was hältst du von dem alten Kasten?"
"Im Moment versuche ich eigentlich gar nichts davon zu halten", platzte es aus George heraus, "ich würde dieses modrige Ding lieber heute als morgen verlassen." Es gelang ihm nicht, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
Arthur kicherte. "Nun mach aber mal halblang! Man könnte ja meinen, du seist mein jüngerer Bruder oder so." Arthur schüttelte den Kopf. "Willst du mir etwa allen Ernstes weismachen, daß du Schiß vor diesem alten Schloß hast?"
"Du etwa nicht?", schnauze George zurück. "Draußen läuft ein Vampir frei herum, und wir sitzen hier in einem alten, dunklen Schloß. Außerdem laufen hier nur merkwürdige Typen herum, die so aussehen, als hätten sie noch nie das Tageslicht gesehen. Und da soll man sich keine Sorgen machen?!"
Arthur winkte ab: "Ach, krieg dich wieder ein und geh schlafen!"

Des Nachts fuhr George unvermittelt auf. Jemand hatte das Licht gelöscht! Dabei hatte er es doch extra brennen lassen. Wie von einer Feder geschnellt, schoß Georges Hand zum Lichtschalter. Er blinzelte, denn im ersten Moment hatte das matte Licht die gleiche Wirkung auf ihn, als hätte er in einen 200 Watt Halogenscheinwerfer geblickt. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse. Niemand war zu sehen.
Doch was hatte ihn geweckt?
Ein Poltern ließ ihn plötzlich herumfahren und die Bettdecke bis zum Kinn ziehen. Er kam sich nun selbst ein wenig albern vor.
"Lächerlich", zischte er und schwang seine Beine über die Bettkante. Wenn er es jetzt wagen würde, seinen Freund aus dem Schlaf zu reißen, nur weil er ein merkwürdiges Geräusch gehört hatte, so würde Arthur ihn wahrscheinlich wieder nur auslachen, bevor er ihm einen seiner berühmten freundschaftlichen Klapse verpaßte. Da war es wahrscheinlich besser, sich vor Angst in die Hose zu machen.
Immer wieder horchend, stand George auf und schlich zur Tür. Nichts... alles blieb still.
Als er gerade nach der Klinke greifen wollte, hörte er erneut das Poltern, diesmal deutlich näher. Hastig zog George seine Hand zurück, als hätte er sich die Finger verbrannt. Einen Moment lang verharrte er und überlegte, was als nächstes zu tun sei.
Schließlich rollte er genervt mit den Augen und stieß einige Verwünschungen aus. Dann riß er mit einem Ruck die Tür zum Korridor auf.
Der Gang selbst war etwas dunkler, so daß George die Einzelheiten der Verzierungen auf den Vertäfelungen nur erahnen konnte. Die meisten der Nischen lagen in völliger Finsternis.
George gab sich alle Mühe, das Zittern seiner Knie zu unterdrücken.
"Hallo, ist da wer?", rief er zaghaft in den Flur hinaus, doch nichts rührte sich. Niemand schien in der Nähe zu sein. "Ich finde das überhaupt nicht witzig!", setzte er nach, "ich versuche hier zu schlafen!" Vorsichtig tat George einen Schritt in den Korridor. Ein neuerliches Poltern ließ ihn zusammenzucken. Jetzt reichte es George. Er nahm all seinen Mut zusammen und machte sich auf, der Quelle dieser Geräusche auf den Grund zu gehen.
George war nur wenige Meter weit gekommen, als er hinter sich ein schlurfendes Geräusch vernahm. Er wirbelte herum, konnte jedoch in den tiefen Schatten des Ganges nichts erkennen. Da war es schon wieder; dieses Geräusch, das sich anhörte, als ob jemand ein Bein nachziehen würde.
Auf einmal schälte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit. Auf den ersten Blick hatte sie fast Ähnlichkeit mit dem Alten, der sie am frühen Abend an der Tür begrüßt hatte. Doch diese Gestalt zog wirklich ein Bein nach. Langsam humpelte dieses Etwas vorwärts und geriet dabei zusehends in den Lichtschein, der aus Arthurs Zimmer drang. George stockte der Atem. Das Wesen, das da auf ihn zugewankt kam, waren wohl kaum als menschlich zu bezeichnen. Seine Züge waren zwar menschlich, aber dennoch schienen seine Gesichtszüge auf das Entsetzlichste entstellt zu sein, und es hielt genau auf ihn zu, langsam und unerbittlich. George tat das einzig Richtige. Er wirbelte herum und suchte sein Heil in der Flucht.
Fieberhaft suchte George nach einer Möglichkeit, dieses Wesen abzuschütteln. Er rüttelte an jeder Tür. Nichts! Alle waren verschlossen.
Er wollte schon aufgeben und weiter den Gang hinunterrennen, als eine der Türen unter seinem Druck nachgab und quietschend nach innen aufschwang. Schnell schlüpfte er durch den Spalt ins Zimmer und schob die Tür wieder vorsichtig ins Schloß.
Als Georges Finger im Halbdunkeln einen Schlüssel ertasteten, stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus.
Er schloß die Tür ab und sah sich im Zimmer um. Ein weiteres Gästezimmer, wie George vermutete, denn es war ähnlich dem eingerichtet, in dem er zuvor noch geschlafen hatte.
"Guten Abend", begrüßte ihn eine fremde Stimme. George schrie vor Schreck auf. Unfähig sich zu bewegen, verharrte er mitten im Raum. Aus dem Ohrensessel am Fenster erhob sich eine dunkle Gestalt. Langsam, einer Raubkatze gleich, schlich der Fremde um George herum.
"Entschuldigung, Sir", stammelte George verlegen, "es war nicht meine Absicht, Sie zu stören. Ich werde Sie sofort wieder verlassen, wenn..."
"Das wird nicht nötig sein", unterbrach ihn der Mann und zog im Vorbeigehen den Schlüssel aus dem Türschloß.
"Was soll das", wollte George wissen, "wollen Sie mir Angst einjagen? Lassen Sie mich einfach gehen!"
"Ich fürchte, das kann ich nicht zulassen." Eine Eiseskälte lag in der Stimme des Fremden, die George vor Angst schlottern ließ.
Der Mann hatte seine Runde mittlerweile fast vollendet, als er ins Mondlicht trat. Seine Züge ähnelten denen von Malcolm Farquharson und waren doch irgendwie anders. Als er lächelte, entblößte er zwei mächtige Fänge.
"Ein Vampir", entfuhr es George.
"Ganz recht, mein junger Freund", entgegnete der Vampir, "und was glaubt Ihr, welche Rolle für euch gedacht ist?" Die letzten Worte waren kaum mehr als ein Fauchen.
George schrie. Er schrie aus Leibeskräften um Hilfe, während er zu Tür stürzte und verzweifelt an ihr zerrte, als versuche er, sie aus den Angeln zu reißen. Fieberhaft sah er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Im halbdunkeln sah er jedoch nicht, wohin er trat und geriet ins straucheln. George prallte hart auf den steinernen Fußboden. Hinter sich hörte er das hämische Lachen des Vampirs, der langsam auf ihn zu kam. Von nackter Panik getrieben, robbte George von der Tür weg, immer bestrebt, den Abstand zu dem Blutsauger so groß wie möglich zu halten. Immer noch rief er verzweifelt um Hilfe.
Der Vampir rückte immer näher, als mit einem Mal die Tür aufflog. Das Schließblech und Teile des Türrahmens regneten in den Raum. Als nächstes flog eine bullig wirkende Gestalt herein und prallte auf den Vampir, so daß beide zu Boden gingen. Sofort begann der Kerl, dem Vampir einen Arm auf den Rücken zu drehen, daß dieser schmerzerfüllt aufheulte.
"Um Gottes Willen", jaulte der Vampir, "Hören Sie auf! Sie brechen mir ja noch den Arm!" Der Vampir wehrte sich immer noch verzweifelt gegen den sehr viel kräftigeren. "Ach ja?" Entgegnete dieser.
George stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er die Stimme seines Freundes erkannte.
Arthur hatte die jämmerliche Gestalt, voll unter Kontrolle, so daß dieser merklich ruhiger wurde.
"Moment mal!" Arthur erhob sich und zog dabei den Mann mit auf die Beine. "Malcolm Farquharson?"
"Ja, verdammt! Lassen Sie mich endlich los!"
Nun taute auch George wieder auf. "Was zu Hölle sollte diese Vorstellung? Ist es nicht schon schlimm genug, daß da draußen ein Vampir sein Unwesen treibt? Ich halte es für äußerst geschmacklos, hier drinnen eine derartige Show hinzulegen!"
Malcolm schüttelte den Kopf. "Ach, es gibt hier überhaupt keine Vampire! Das war alles eine Inszenierung der Dorfbewohner mit dem Ziel, diesen alten Kasten zu erhalten. Wir halten schon seit über einer Woche nach Städtern wie Ihnen Ausschau. Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, als Ben, der Wirt aus dem Dorf, uns Ihre baldige Ankunft meldete." Malcolm fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht, als könne er alle Anspannung der letzten Tage einfach wegwischen. "Alles weitere hatten wir schon von langer Hand vorbereitet."
"Aber warum dieser ganze Aufstand", fragte Arthur.
Malcolm Farquharson senkte beschämt seinen Kopf. "Haben Sie eine Ahnung, was es heißt, ein Schloß von dieser Größe zu unterhalten? Einfach ein Hotel daraus zu machen reicht eben nicht aus. Von den wenigen Tagen, in denen hier die Highland Games stattfinden, können wir einfach nicht existieren!" Malcolm setzte sich resigniert auf das Bett. "Also haben wir uns überlegt, daß wir Braemar Castle irgendwie interessanter gestalten müßten. Da lag es natürlich nahe, daraus ein Spukschloß zu machen."
"Tolle Idee! Aber haben Sie schon einmal daran gedacht, es mit Werbung zu versuchen?", wollte George wissen.
"Natürlich haben wir das", entgegnete Malcolm. "Nur wie glaubwürdig würde das wirken? Der Schloßherr kann immer viel behaupten. Nein, solche Dinge erzielen nur dann Wirkung, wenn sie von Dritten berichtet werden." Malcolm atmete tief ein und stieß die Luft mit einem inbrünstigen Seufzer wieder aus. "Tja, und da kamen Sie uns gerade recht. Zwei Hauptstädter, Fremde, denen man alles andere als Befangenheit nachsagen kann." Resigniert blickte er erst George und dann Arthur in die Augen. "Ich bin tief betrübt, daß wir Ihnen solche Unannehmlichkeiten bereitet haben."
Plötzlich prustete Arthur los und begann schallend zu lachen. Malcolm und George sahen sich verwundert an, doch schließlich konnten sie auch nicht anders und fielen in das Gelächter mit ein.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
Dieser Text enthält 21016 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.