'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
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Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
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Juli 2001
Erwachen
von Gudula Goering

Selbst hier im Wasser war es noch sehr warm.

Sie schwamm in langen Zügen, senkte ab und zu ihr Gesicht ins Meer, um sich ein wenig abzukühlen. Hob dann wieder ihren Kopf, um sich umzusehen.

Es war tiefe Nacht um sie herum. Der Mond schien jedoch recht hell.

Und so sah sie auch die Köpfe der drei Männer im Wasser neben sich, die einander zuriefen und sich von einander verabschiedeten.

Es waren zwei andere Passagiere des Schiffes und der Kapitän.

Die beiden ersten hatte sie hinter sich zurück gelassen, vor ihr war noch der Kopf des Kapitäns zu sehen. Er hob seine Arme aus dem Meer, winkte den beiden anderen Passagieren zu und wünschte ihnen Glück und Freude im Paradies.

Sie hatten alle drei aufgegeben. Waren bereit für den Tod.

Hier mitten im nächtlichen Meer, nach einigen erfolglosen Versuchen, ihm doch noch zu entkommen, wollten sie ihn in Demut empfangen.

Doch sie gab so schnell nicht auf.

Sie wusste nicht, wo sie war. Doch vielleicht sollte sie einmal die Richtung wechseln? Am Kopf des Kapitäns konnte sie sich noch eine Weile lang orientieren. Sie liess ihn, seine Abschiedsworte rufend, rechts neben sich und schwamm und schwamm...

Mit Kleinmütigen wollte sie nicht zusammen sterben.

Während sie so automatisch und möglichst kräftesparend schwamm, dachte sie an jenen Abend im Haus ihres Vaters.

Es war heiss.

In der abendlichen Schwüle klebte ihr dünnes Baumwollkleid an ihrem Körper. Im Haus des Verstorbenen war es stickig.

Und so beschloss sie, gleich nach draussen zu gehen und auf der Bank vor der Tür den Morgen zu erwarten.

Da entdeckte sie hinter der zusammengerollten Bambusmatte in der Ecke das kleine Kästchen. Es war ein viereckiger, kleiner geflochtener Korb - von der Zeit im hiesigen Klima ganz eingedunkelt und ein wenig feucht.

Darin lag in der schützenden Hülle eines Lederetuis ein Stück Papier. Sie nahm es heraus und entfaltete es sorgfältig, machte Licht und schaute es an.

Es war der Bauplan für ein Schiff!

Zweistöckig und ganz aus Bambusrohr. Einst hatte es der Prinz mit seiner jungvermählten Braut bestiegen und ward nicht mehr gesehen.

In den alten Geschichten hiess es, die beiden Liebenden wären auf einer der tausend kleinen Inseln gelandet und dort verschollen. Es war kein Geheimnis, dass der Prinz lieber leben als regieren wollte.

Den Bauplan für dieses Schiff hatte sie gefunden!

Lange dauerte es, bis dass der Mann ihrer Schwester, der im Staatlichen Museum arbeitete, die Erlaubnis erhielt, in Originalgrösse dieses herrliche alte Bambusschiff nachzubauen.

Schliesslich war es soweit.

Viele Neugierige bestiegen das Schiff, das nach einer Jungfernfahrt im Museum ausgestellt werden sollte, und fuhren hinaus auf das Meer.

Der Fahrtwind kühlte angenehm die Gesichter. Die Menschen waren fröhlich und laut.

Doch, noch während der Kapitän auf dem oberen Deck die Festrede hielt, senkte sich das Schiff im vorderen Teil bedrohlich nach unten. Hatten sich zu viele an dieser Stelle versammelt, um die Rede zu hören? Das Schiff dadurch ins Ungleichgewicht gebracht? War im unteren Teil ein Leck?

Sie wusste es nicht mehr zu sagen.

Panik breitete sich aus, die Menschen sprangen ins Wasser, um sich zu retten. Die Schreie der Kinder und Frauen gellten noch in ihrem Ohr...

Der Kopf des Kapitäns war kaum mehr zu erkennen, als sie plötzlich eine riesige Wasserwelle auf sich zukommen sah.

Nun ist es aus, dachte sie noch, als die Welle sie überrollte.

Doch das aufgetürmte Wasser drückte sie nicht nur nieder sondern hob sie danach auch wieder heraus und warf sie in eine andere Richtung.

Und dort - fern am Horizont - sah sie die hohen Palmen stehen! Darauf schwamm sie zu...

... fröhliches Gelächter war im Hintergrund zu hören. Ein paar Trommeln und Flöten spielten in der Ferne. Halb lagen ihre Beine noch im Wasser, das ihre Füsse mild umspielte.

Sie blinzelte ein wenig in die ungewohnte Helligkeit der Nacht.

Fackeln und offene Feuer warfen ihre bewegten, bizarren Licht-Gestalten auf die Stämme der Palmen und auf das Gesicht.

Das Gesicht einer Frau, das sich dem ihren näherte... näher und näher kam... immer grösser wurde, ihr den Blick frei gab in die Tiefe von zwei leicht mandelförmigen braunen Augen, die sie fragend und neugierig anschauten.

Während das Gesicht sich immer mehr über sie beugte, bemerkte sie, dass es sich nach und nach mit einem dichten, schwarzen Vollbart überzog.

Fragend, freundlich und neugierig näherten sich die braunen Augen, die hinter einer schwachen Brille recht gross aussahen. Gleichzeitig senkte sich der Mund zwischen den Barthaaren auf den ihren und drückte sich darauf, während die Hände des Mannes sanft an ihrer Schulter rüttelten...

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