Der himmelblaue Schmengeling
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Juli 2001
Nacht im Park
von Christine Keinath

Samstag abend, der Abend der glücklichen Paare und heiteren Freunde. Romantische Candlelight-Dinner, fröhliche Grillabende, lustige Spielerunden. Und Sie? Allein, wieder mal allein. Das halbe Wochenende schon vorbei, Stunden einfach totgeschlagen. Sinnloses Rumgammeln vor dem Fernseher, natürlich wieder mal nichts als blöde Samstagabend-Shows. Auch der Spätfilm - zum Gähnen. Was hält sie dennoch vor dem Fernseher? Müde und lustlos geht sie ins Bett. Sie greift nach einem Buch, eigentlich hat sie sich auf einen gemütlichen Leseabend gefreut. Man soll das Beste aus dem Alleinsein machen "Genießen Sie ihr Alleinsein", ach wie das schon klang. Besserwissende Ratgeberstimmen flüstertn ihr es ins Ohr. Nein, Lesen ist auch nichts, sie kann sich nicht auf ihr Buch konzentrieren. Also doch Licht aus. Der vergebliche Versuch, zu schlafen. Sie dreht sich einmal rum, zweimal, siebenmal. Wirft die Decke weg und fischt sie mit dem Fuß wieder her. Nein, so wird das nichts. Ein Blick auf den Wecker zeigt halb vier an. Schon fast morgens und an Schlaf ist nicht zu denken.

Kurzentschlossen steht sie auf, zieht sich an und verläßt das Haus. Holt das Fahrrad aus dem Keller und fährt los. Einfach los. Raus, unterwegs sein. Am Weg, der zum Fluß hinunter führt, zögert sie kurz. Eigentlich fährt sie da um diese Zeit nicht. Aber jetzt, so früh am Morgen, ist da sicher niemand. Sie radelt am Fluß entlang. Die Luft ist angenehm frisch, der Fahrtwind kühlt ein wenig. Vergessen die stickige Luft in ihrer Bude. Es ist nicht richtig dunkel, es ist fast Vollmond, er wirft ein geheimnisvolles Licht auf den Weg. Nach einigen Metern macht sie auch ihr Fahrradlicht aus und fährt im Dämmerlicht weiter. Sie kommt an einer Treppe vorbei, die zum Wasser hinunter führt. Sie hält an und steigt die Stufen hinunter. Ganz unten sitzt sie und schaut aufs Wasser. Es riecht nach Wasser und Teer, ja, nach Hafen, die Wellen plätschern leicht. Ein großes Frachtschiff hat weiter unten an der Ufermauer festgemacht. Wenn Sie die Augen schließt, kann sie sich vorstellen, am Meer zu sein. Nur die Möwen fehlen noch. Schön, so zu sitzen, auch wenn das Meer weit weg ist, hier in der Stadt weit im Süden.

Sie steigt die Stufen wieder hinauf und fährt weiter. An der Brücke nimmt sie den Weg zum Park. Schon bei Tag mochte sie diesen Park, mit seinen großen alten Bäumen. Doch jetzt, mitten in der Nacht, sieht sie sich überrascht um. Tagsüber wimmelte es von Leuten, Mütter mit ihren kreischenden Kindern, Jogger, Inlineskater, rasende Fahradfahrer, bedächtige Spaziergänger, Sonnenanbeter, Rentnerehepaare. In der Nacht, so menschenleer auf einmal, spürt man erst den Charakter des Parkes. Er ist alt und ehrwürdig, wie ein weiser, alter Mann. Die knorrigen Bäume, uralt waren sie, werfen gespenstische Schatten im Mondlicht. Wie dunkle Riesen stehen sie in einzelnen Gruppen zusammen. Dazwischen die Weite des Rasens, tagsüber der Tummelplatz für all die vielen Besucher. Jetzt sieht man immer wieder Kaninchen über die Wiesen hoppeln. Mehrere hüpfen im Kreis, fast sieht es so aus, als spielten sie Ringelreihen.

Hier wirkt nichts bedrohlich, die Nacht hat etwas Beruhigendes. Langsam schiebt sie ihr Fahrrad weiter und schaut sich um. Hier kann sie in die Nacht eintauchen, sich von ihr einhüllen lassen. Die Stimmung des Parkes legt sich wie ein Mantel aus Ruhe und Nacht um ihre Schultern.

Es ist noch ein ganzes Stück bis zum Aussichtsturm hinauf. Demnächst muß die Sonne aufgehen, das will sie von dort oben erleben. Schon früher, in ihrer Jugendzeit, hatte sie erlebt, daß die schönste Stunde des Tages kurz vor Sonnenaufgang ist. Die Vögel werden auf einmal immer lauter, immer mehr unterschiedliche Vogelstimmen kann sie hören. Einen Höllenlärm machen sie, grad wie wenn sich die Nachtschicht von der Tagschicht verabschiedet und alle gemeinsam den neuen Tag begrüßen. Langsam steigt sie die Serpentinen zum Aussichtsturm hinauf. Schön ist es dort oben. Am Horizont wird es immer heller, von Minute zu Minute kann man mehr Details ausmachen. Schön ist auch ihre Stadt. Am Tage oft verlacht und als dörflich verspottet, liegt sie hier ruhig und gelassen zu ihren Füßen. Als dann die Sonne hervorkommt, wird es auf einmal wieder richtig still. Auch die Vögel sind wohl gebannt davon, daß die Sonne, wie jeden Tag, sich wieder hervorgewagt hat. Schon spürt sie die ersten wärmenden Sonnenstrahlen.

Auf dem Heimweg begegnen ihr die ersten Autos. Da fällt ihr erst auf, daß sie die ganze Nacht keinen Menschen gesehen hat. Aber das furchtbare Einsamsein des trostlosen Samstagabends war einem wohligen Alleinsein gewichen. Schön ist es, sich die Nacht um die Ohren schlagen zu können, diese besondere Stimmung zu erspüren und jetzt ohne Skrupel wieder ins Bett liegen zu können. Müde, glücklich und zufrieden fährt sie nach Hause. Sie sollte öfters eine Nacht im Park verbringen.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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