Der himmelblaue Schmengeling
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Juli 2001
Komm' zurück!
von Bettina Kreuter

Nur eine Nacht möchte ich noch mit dir verbringen können. Mir ist bewusst, dass dies keine lange Zeit ist. Aber ich habe gelernt, keine hohen Ansprüche zu stellen. Als du krank wurdest, habe ich mir immer gewünscht, du würdest wieder gesund werden. Langsam ist meine Hoffnung einer nagenden Verzweiflung gewichen. Irgendwann hat sie von mir Besitz ergriffen und versucht, mich von innen aufzufressen. Doch ich habe es nicht bemerkt, sondern habe mich die ganze Zeit auf dich konzentriert. Als du schwächer wurdest, wusste ich, dass ich stark sein muss. Ich habe versucht, dir etwas von meiner Lebenskraft zu geben, indem ich stundenlang deine Hand gehalten habe und am Schluss überhaupt nicht mehr von deiner Seite gewichen bin. Dabei bestand in diesen letzten Tagen keine Möglichkeit mehr, mit dir zu reden. Du bist ins Koma gefallen und hast deine Augen nicht mehr geöffnet. Warum konnte das nur passieren, warum bist gerade du krank geworden? Du warst doch so jung, wir hatten doch so viele Pläne, wir haben uns doch so geliebt.

Warum kannst du nicht mehr hier bei mir sein und mir übers Haar streicheln, so wie du es immer gemacht hast? Es ist ja nicht soviel, was ich verlange – lediglich ein paar Stunden, nur eine Nacht. Du kommst erst, wenn es draußen schon dunkel ist, dann wird dich niemand sehen und wir verraten es auch keinem.
Doch du wirst nie wieder kommen, mich nie wieder im Arm halten und mir ins Ohr flüstern, dass du mich liebst.
Wie ist es dort, wo du jetzt bist? Ist es so dunkel, wie in einer sternenlosen Nacht oder scheint die ganze Zeit die Sonne, und du musst jetzt nicht mehr frieren? Kannst du nicht schnell vorbeischauen und mir sagen, wie es dir geht? Ich verspreche dir, dass ich auch nicht weinen werde. Ich werde ganz stark sein, damit es nicht so schwer ist, wenn du wieder gehen musst. Aber ich möchte dich so gerne im Arm halten, spüren, wie stark du bist und wissen, dass du mich beschützt. Wer soll jetzt auf mich aufpassen? Ich will nicht selber so stark sein müssen.

Wenn ich weinen muss, dann sperre ich mich im Badezimmer ein. Dort ist es dunkel und keiner sieht, wie schlecht es mir geht, nicht einmal du.
Ich liebe dich, bitte komm' zurück. Wir verstecken uns im Bett und erkunden noch einmal unsere Körper, so wie am Anfang unserer Liebe. Lass' mich noch einmal deinen Mund auf meinem Hals spüren und deinen Atem in meinem Ohr.

Natürlich ist eine Nacht nicht lange. Aber jetzt ist Winter und da ist es auch länger dunkel. Warum kann eine Nacht nicht schon früher beginnen? Ist es nicht alles nur eine Frage der Sichtweise? Wenn du schon etwas früher kommst, dann machen wir uns etwas zu essen. So wie damals, wenn wir uns nach der Arbeit am Abend zusammengesetzt und geredet haben. Vielleicht sollten wir nur etwas Kaltes essen, weil wer weiß, wie wir reagieren, wenn wir uns endlich wieder sehen.
Du hast mir schließlich schon gefehlt, wenn ich nur ein paar Tage weg war. Damals habe ich geweint und gedacht, es ist schlimm, wenn ich zwei Nächte ohne dich an meiner Seite einschlafen muss. Hätte ich geahnt, dass du mich für immer verlassen wirst, dann wäre ich gar nicht weggefahren und hätte jede Minute mit dir genossen.
Warum haben wir manchmal gestritten und noch dazu über ganz Banales? Es wäre doch besser gewesen, wir hätten uns stattdessen geliebt – egal wo, im Bett, am Fußboden oder am Küchentisch. Hauptsache, wir hätten die Nähe des Anderen gespürt und sie in uns aufgesaugt.

Komm' noch einmal zurück und wir lieben uns, verschlingen uns und gehen ganz ineinander auf. Wir denken einfach nicht daran, dass es unsere letzte Nacht ist, dass wir diese Chance nicht noch einmal bekommen. Wir können uns in die Badewanne setzen, Musik auflegen und über unsere Träume reden. Dann planen wir wieder gemeinsam an unserer Zukunft und ignorieren die Tatsache, dass es die nicht mehr geben wird.

Jede Nacht träume ich von dir. Ich sehe dein Lächeln und höre deine Stimme. Du streichst mir übers Haar und küsst mir meine Tränen von den Augen. Doch immer, wenn ich nach deiner Hand greifen will, wache ich auf. Manchmal lache ich dabei, weil du mir gerade etwas Lustiges erzählt hast. Meistens weine ich allerdings, weil du nicht bei mir bleibst. Dabei möchte ich dir noch soviel sagen, dich noch einmal küssen.
Bitte komm' doch nur auf eine Nacht vorbei, damit ich dich berühren kann und weiß, dass du mich auch hören kannst. Vielleicht packe ich dir noch ein paar Pullover ein, damit du nicht frierst, wenn du wieder zurück musst. Du musst mir nur sagen, was du brauchst.

Vielleicht ist es aber besser, du kommst nicht zurück – auch wenn es nur für eine Nacht wäre. Ich würde dich nämlich nicht noch einmal gehen lassen. Ich liebe dich.

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