Honigfalter
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August 2001
Durchsicht
von Marc Bornée

Er hält den Telefonhörer noch einige Augenblicke am Ohr, nachdem sie aufgelegt hat. Ihre letzten Worte klingen noch nach: "Ich hole dich jetzt ab, Evzen. Versprich mir, dass du aufmachen wirst! Müde sein, zieht heute Abend nicht, - o.K.?!" -Klick. Leitung tot und alle Fragen offen. Er gähnt. Eigentlich wollte er heute Abend nicht mehr in die Klinik. Außerdem ist es schon halb 10.

Sie kennen sich jetzt schon seit einem Jahr. Und immer wieder das gleiche Spiel. Natürlich haben sie sich in der Klinik kennen gelernt, Iris und er, - wo auch sonst? Sie als Röntgen-MTA im Erdgeschoss in der "Strahlenburg" gefangen, er als Anästhesist im Zentral-OP im ersten Stockwerk, da war es eher zufällig, dass sie sich begegneten. Oder nur eine Frage der Zeit.

Evzen wurde damals im OP abgelöst und in die Notaufnahme geschickt, um eine Joggerin, die am frühen Morgen beim Überqueren einer Landstraße von einem Auto erfasst worden war, zu versorgen. Schwerer Verkehrsunfall. Sie hatte wohl einen Walkman aufgehabt und es war sehr diesig gewesen, hieß es -als kurze Info- bevor er sich auf den Weg machte. Als er den Aufnahmeraum betrat, wurde die junge Frau gerade von den beiden Ambulanzpflegern auf die Behandlungstrage umgelagert. Ihm wurde eine schwere Röntgenschürze gereicht, die er wie die Pest hasste, und sie deshalb gleich an den Narkosewagen hängte. Sie war ihm auf Dauer einfach zu schwer und zu eng, mehr Last als Schutz. Er verließ daher lieber, wenn möglich, vor den jeweils notwendigen Röntgenaufnahmen kurz den Raum oder stellte sich hinter die kleine dreieckige Metallwand zu der Assistentin, die das Röntgengerät bediente.

"Röntgen!" rief eine angenehme Frauenstimme, bestimmt aber freundlich. Fluchtartig verließen die drei Rettungssanitäter den Raum, als ginge es um ihr Leben. Evzen ging automatisch drei Schritte seitlich nach rechts, um sich hinter der Metallwand vor den Strahlen zu schützen. Ein wenig zu schwungvoll kam er hinter der auffallend großen Röntgenassistentin zu stehen. So schwungvoll, dass er leicht mit seinen Lenden an ihren Hintern kam. So zart, dass er sich nicht sicher sein konnte, ob sie es bemerkt hatte. Ihm war nach Räuspern zu Mute, blieb aber er hielt sich zurück. Er berührte mit der Nasenspitze ihr kurzes braunes Haar, das sehr angenehm roch. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Sie mussten sehr eng beieinander stehen, um gemeinsam hinter dem metallenen Schutzschild Platz zu finden. Es war einigermaßen schwierig, an ihr herunterzuschauen, um mehr von ihrem Körper zu sehen. Sie trug ein hellblaues, enges T-Shirt und eine verboten gut sitzende weiße Jeans, die - soweit von oben zu beurteilen - die Form ihres knackigen, herzförmigen Hinterteils nicht ein bischen verschleierte. Die Beine schienen lang, sehr lang. Er schaute wieder nach oben und versuchte einen halbwegs integeren Gesichtsausdruck aufzusetzten. Es gelang ihm nicht.
Sie schob plötzlich ihren Po fast unmerklich in seine Richtung. Evzen bewegte sich keinen Zentimeter und hielt die Luft an. Sie berührte ihn. Er konnte durch die dünne grüne OP -Hose an seinem Glied spüren, wie warm ihr Körper war. Es zuckte unvermittelt. Das Tonsignal des Röntgengerätes ertönte als Zeichen der getätigten Aufnahme. Er atmete tief durch und sie drehte ganz leicht ihren Kopf zu ihm, ohne dabei ihren Körper zu bewegen. Fast unmerklich. Ihr Druck an seiner Hose nahm etwas zu, sie drehte ihren Kopf weiter in seine Richtung und schaute ihm direkt in die Augen. Sie lächelte aufmunternd, ihre dunkelbraunen Augen blitzten wissend, dann drehte sie sich langsam ganz zu ihm, und er sah, dass das blaue T-Shirt von vorn noch enger wirkte. Er bekam keinen Ton heraus. "Darf ich?" fragte sie und ging, ohne zu warten, dass er ihr Platz macht, betont eng an ihm vorbei. Wieder dieser Duft nach frischem Moos.

Er sammelte sich und trat zurück zur Patientin, stellte sich an ihren blutüberströmten Kopf. Während er den Ausführungen des Notarztes lauschte, prüfte er den Sitz der Halskrawatte und öffnete der scheinbar schlafenden Frau die geschwollenen Augenlider, um ihre Pupillen zu beurteilen. Sie waren beide weit und lichtstarr. Kein gutes Zeichen. Er hatte einige Nachfragen: "Hatte sie primär am Unfallort irgendwelche Reaktionen gezeigt? - Auf Ansprache, Schmerzreize?" "Nein, garnichts", sagte der Notarzt resigniert. "Schutzreflexe, wie Husten oder Würgen?" "Auch nicht. Ich habe sie ohne jedes Hypnotikum oder Schmerzmittel intubieren können, um ihre Atemwege zu sichern." Ein bedeutender Blick zu Johannes, dem Unfallchirurgen im Notaufnahmeteam, der selbst beim Mittagessen übertrieben ernst aussieht, reichte. Johnannes verstand und nickte ihm wotlos zu. Evzen griff an den Hebel am Kopfteil der Trage , und alle wussten, was er wollte. Sie halfen ihm vorsichtig dabei, den Oberkörper der Patientin um etwa 30 Grad höher zu lagern, während Johannes und er es gleichzeitig aussprachen: "CCT - Schichtröntgen des Schädels, sofort!"

Er schaute sich nach der süßen Röntgenassistentin um, die an der großen, verschlossenen Stahltür stand. Sie blickte ihm direkt in die Augen und drückte einen blauen Knopf. Die Tür öffnete sich ratternd. "Wollen wir...?", fragte sie auffordernd und lächelte ihn an. Was für ein Lächeln! "Sehr gern! Mit wem habe ich denn das Vergnügen? Hast du neu angefangen?" Die Patientin wurde neben ihnen auf den Gang herausgefahren. "Wie man's nimmt. Seit zwei Monaten. Ich heiße Iris.". "Evzen" gab er zurück, mehr konnte er im Augenblick nicht sagen. Mit mobilem Überwachungsmonitor und Beatmungsgerät fuhren sie den langen Gang hinunter zum CT . Er hatte mit der einen Hand den leuchtroten Notfallrucksack geschultert und schob mit der anderen das Kopfteil der Trage und beobachtete die verschiedenfarbigen Kurven auf dem Display des Monitors. Die EKG-Töne hallten durch den Gang und schienen dadurch noch lauter, noch schneller. Iris ging etwa zwei Schritte vor ihm. Sie hatte wirklich verdammt lange Beine, einen großartigen Hintern, und er so einen wundervollen Ausblick.

Nachdem die Untersuchung im CT vorbei war und er die Patientin auf der Intensivstation abgeliefert hatte, ging er für eine Zigarette durch eine Hintertür nach draußen vor das Ambulanzgebäude. Iris stand plötzlich neben ihm. "Wird sie es schaffen?", fragte sie. Es duftete wieder nach frischem Moos. "Kann man schwer sagen. Eher nicht. Sie hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten, nicht nur ihr Gesicht, ihr ganzes Gehirn ist massiv angeschwollen. Und es wird trotz Therapie weiter anschwellen. Das kann man nicht operieren. Irgendwann wird das Kreislaufzentrum im Gehirn zuschwellen und dann..." Sie unterbrach ihn sanft und legte ihre Hand auf seinen Unterarm. "Evzen, es ist so ein schöner Tag heute. Wollen wir nicht heute Abend zusammen etwas essen gehen, draußen, am See?!" Er war verwundert über das direkte Angebot, sah sie erwartungsvoll lächeln und willigte ein. "Ich hätte übrigens vorhin hinter der Schutzkabine noch stundenlang so mit dir stehen bleiben können", hörte er sie sagen, als er sich schon umgedreht hatte, um wieder in den OP zu gehen. Er blieb stehen und wandte sich zu ihr. Verschmitzt hatte sie ihre Lippen gespitzt. "Geht mir genau so", sagte er und merkte, wie eine gespannte Erregung in ihm aufstieg.

Das war im Sommer, vor etwa einem Jahr. Jetzt sitzt er neben Iris im Auto, hat seine Hand auf ihrem rechten Schenkel und genießt es, dass sie, hinter dem Steuer sitzend, dieser Hand fast hilflos ausgeliefert ist. Langsam streichelt er mit dem Handrücken über das enge hellblaue T-Shirt, lässt den Daumen zart auf den härter werdenden Brustwarzen kreisen. "Wir sind da", sagt sie leise und stellt das Auto direkt vor dem Ambulanzgebäude ab. Ihre braunen Augen funkeln ihn an. Es ist bereits dunkel. Nur noch wenige Fenster sind beleuchtet. Sie gehen durch eine Nebentür in das radiologische Zentrum und gehen leise am CT vorbei den dunklen Gang entlang. Sie geht etwa zwei Schritte vor ihm. Sein Blick bleibt fest auf sie gerichtet. Die schwere Eisentür steht offen.

"Wollen wir...?", flüstert sie auffordernd und lächelt ihn an, den Kopf fragend zur Seite geneigt.
"Sehr gern..." antwortet er sanft, nimmt ihre Hand und drückt den blauen Knopf.
Ratternd schließt sich die Tür hinter ihnen und seine Pupillen werden weit, sehr weit. "Röntgen!" flüstert ihre angenehme Frauenstimme, bestimmt aber freundlich, und ihr Atem legt sich warm an sein Ohr.

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