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September 2001
Hans im Glück
von Dirk-Uwe Becker

Er grub nun schon zwei Wochen in dieser flirrenden Hitze am gleichen Ort. Hans wischte sich den Schweiß von der Stirn. Auf den Spaten gestützt, ließ er seinen Blick über die Ebene schweifen. Hügeliges Grasland, so weit das Auge reichte. Unterbrochen nur von ein paar einzeln stehenden Bäumen. Es war eine trockene Gegend. Kaum ein Mensch setzte sonst seinen Fuß hierher, außer vielleicht einigen Hirten, die mit ihren Herden diese Ebene durchzogen, auf der Suche nach saftigeren Weidegründen.

Lustlos stieß Hans seinen Spaten wieder in die staubige Erde. So ein Archäologenleben ist eben kein Zuckerschlecken! Während seines Studiums hatte er es sich die Suche nach Spuren der Vergangenheit aufregender vorgestellt. Was soll's, dachte er. Grab ich halt hier weiter und wühle mich durch den Staub von Jahrhunderten. Ein paar alte Krüge, Scherben unbedeutender Gebrauchskeramiken, verrostete Getränkedosen und ein Plastikfrosch, Made in Taiwan. Hans war schier begeistert!

Der Tag neigte sich dem Ende entgegen. Hans hatte sich etwa anderthalb Meter tief in den Boden gegraben. Der Auswurf bildete hohe Hügel um sein Grabungsloch. Wieso musste mich Professor Mettner nur in diese verlassene Gegend schicken, dachte Hans. Hier gibt es doch weit und breit nichts, das nur annähernd nach alter Hochkultur riecht. Alles nur, weil der Museumsetat mal wieder fast ausgeschöpft war! - Er hieb den Spaten mit voller Wucht in den Boden...und hätte sich fast die Handwurzel dabei gebrochen. Der Spaten stieß auf etwas Hartes. Mist! - Steine, das fehlt mir noch. Hans setzte den Spaten anders an und versuchte, das Hindernis zu untergraben. Vergeblich. Muss ein größeres Objekt sein, dachte er. Vielleicht bin ich hier auf das verschollene Atlantis gestoßen oder auf den unterirdischen Eingang zu einem Grab voller Schätze. Hans begann zu träumen. Bis hierhin war es Grobarbeit. Jetzt konnte der Ausgräber-Leistungskurs von Prof. Mettner zeigen, was er wert ist!

Den Spaten aus der Grube schleudernd, kletterte Hans nach oben und holte sich seinen Spatel. Mit diesem Instrument werden die Feinarbeiten in der Archäologie ausgeführt. Bis vor einer halben Stunde hätte Hans nicht daran geglaubt, dieses Gerät jemals hier einsetzen zu können. In der Grube hockte er sich auf den Boden und betrachtete das vom Spaten freigelegte Stück. Sieht aus wie eine Art Mauer, dachte Hans. Mit dem Spatel kratzte er vorsichtig Erdschicht um Erdschicht ab und hatte nach einigen Minuten den oberen und vorderen seitlichen Teil seines Fundes freigelegt. In ihm wuchs die Anspannung. Die Schweißperlen auf seiner Stirn entsprangen mehr seiner Aufregung als der Anstrengung. Behauene Feldsteine -diese Analyse hätte jeder Erstsemestler stellen können. Also doch eine Mauer oder das Fundament eines Hauses. Vielleicht sogar eines Palastes? Ha, lieber alter Prof. Mettner, sinnierte Hans. Hättest Du das geahnt, würdest Du mich in der Wüste Gobi graben lassen! Aber jeder bekommt seine Chance. Warum also nicht auch ein Hans Felice?

Ah, da ist doch was! Hans kratzte vorsichtig mit dem Spatel weiter an einem Teilstück des Steinsimses. So etwas wie eine verwitterter Schrift kam zum Vorschein: ?????????.???entzifferte Hans. ???Sollte das Glück mehr als hold gewesen sein, ihm einen Jahrhundertfund zu bescheren? Zumindest deutete die Schrift an den Steinsimsen auf einen Tempel oder auf ein herrschaftliches Haus hin. Zweites Semester Professor Mettner, gluckste Hans in sich hinein. Er machte schnell einen Abrieb von der Schriftfläche und stieg aus dem Loch, denn es wurde bereits dunkel.

Am nächsten Morgen packte Hans den Abrieb zusammen mit zwei Tontäfelchen, die er in der Nähe der Mauer gefunden hatte, vorsichtig in einen Karton und adressierte ihn an Professor Mettner. Der wird Augen machen, freute sich Hans und biss herzhaft in sein Marmeladenbrötchen. Das Leben eines Archäologie-Studenten ist nicht nur karg, was die Fundausbeute anbetrifft, sondern auch in der Verpflegung. Aber heute schmeckte Hans selbst das trockene Brötchen vom Vortag mit dieser zuckersüßen einheimischen Marmelade. Wahrscheinlich dauerte es wieder Tage, bis er eine Nachricht erhalten würde. So begann Hans, sich weiter an die Freilegung seines Fundes zu machen.

Drei Tage später durchzog ein etwa zwei Meter breiter und fünf Meter langer Graben das Gebiet. Bis auf eine Tiefe von zweieinhalb Metern hatte Hans sich in die Erde gewühlt. Die Mauer selbst war anderthalb Meter hoch. Ihr linkes und rechtes Ende lag noch unter der Oberfläche verborgen – der Teil mit der verwitterten Schrift schien ein Tor gewesen zu sein. Jedenfalls deuteten Steinpfosten beiderseits eines Mauerdurchbruchs in der Mitte der Grubenlänge darauf hin. Auf einem größeren Steinblock direkt am rechten Eingangspfeiler befand sich diese Schrift. Vielleicht eine Bibliothek? Hans träumte. Die Alexandrinische Bibliothek leider schon im Blickpunkt der Wissenschaft abgehandelt, die sieben Weltwunder nie wirklich verschwunden, um von Enthusiasten wie ihm wieder entdeckt zu werden.

Er musste während der Mittagspause kurz unter dem Sonnensegel eingeschlafen sein, als der Postbus quietschend zum Stehen kam, der die tägliche Verbindung zur Außenwelt aufrecht erhielt. Ein Packen Zeitungen und ein paar Briefe flogen aus der offenen Fahrertür in den Sand, dann brauste das Gefährt einem neuen Bestimmungsort entgegen. Hans schlurfte zur Abwurfstelle und sah die Briefe durch. Jepp! Eine Nachricht seines Professors. Das ging ja schnell. Voller Vorfreude riss Hans den Umschlag hastig auf.

"Sehr geehrter Herr Felice!" begann der Brief. "Ihr Fund hat mich doch sehr überrascht. Die Gegend, in der sie graben, ist eigentlich nicht als archäologisch interessantes Gebiet ausgewiesen. Ihr Schreiben mit dem Abrieb von Schriftzeichen hat mich deshalb in besonderes Erstaunen versetzt! – Um es gleich vorweg zu nehmen: Es handelt sich bei den Schriftzeichen um griechische Kapitale, vorwiegend an öffentlichen Gebäuden oder Tempelanlagen anzutreffen. Der Wortlaut der von Ihnen freigelegten Zeichen lautet: S R E I B L U S T . D E - die Fachliteratur gibt über diese Zeichenfolge allerdings keine schlüssigen Informationen her. Ich gehe deshalb davon aus, dass es sich bei dieser Mauer eventuell um die Reste eines Tempels handeln könnte, in denen die ungebildete Landbevölkerung einem Lokalgott ‚Sreiblust' huldigte und Opfergaben dar brachte. Jedenfalls deutet das nur bruchstückhaft erhaltene ‚DE' für DEVS auf einen örtlichen Gott hin. Die von Ihnen mitgesandten Tontäfelchen mit eingeritzten Zeichen könnten Opfersprüche darstellen. Vielleicht für gutes Wetter, eine ausreichende Ernte oder als Dank an die Tempelschreiber für geleistete Dienste. Da unser Institut zur Zeit aber mit wichtigeren Projekten beschäftigt ist, empfehle ich Ihnen, das Grabungsareal wieder zuzuschütten und dadurch vor Zerstörung zu bewahren. Mögen spätere Forschungsprojekte sich diesem Mysterium widmen. Mit wohlgesonnenem Rat und freundschaftlichem Gruß, Mettner, Prof. Dr. rer. nat."

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