Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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September 2001
Undines Unterwelt
von Petra Ziller

Ich lag am weißen Sandstrand von Lesbos. Der Himmel war sternenklar. Die Nacht war mild.
Ich döste vor mich hin, als ich plötzlich von irgendetwas am Kopf getroffen wurde. Sofort war ich hellwach. Ich versuchte herauszufinden, was mich da getroffen hatte. Mit der Taschenlampe inspizierte ich den Boden rund um mich, nach Dingen, die vorher noch nicht da waren.
Eine Rotweinflasche – war vorher schon da. Ein abgenagter Hühnerknochen – war vorher schon da. Ein Weintraubenstängel – war vorher schon da und überhaupt, konnte der so weh tun? Grübelnd legte ich mich wieder hin und betastete meine Beule. Ich drehte mich vorsichtig auf den Bauch und dann sah ich es.
Es war...
Es war eine riesengroße, schwarze Muschel. Eine von denen, die normalerweise die Melodie des Meeres zu einem bringen, wenn man sie ans Ohr hält. Ich hielt die Muschel ans Ohr und lauschte. Statt dem üblichen Meeresrauschen hörte ich eine feine Stimme. Sie schien zu sagen: "Komm, folge mir, steig hinab mit mir in die Tiefen des Meeres. Ich bringe dich zu einer Stadt, weit unten im Meer. Komm, es kann dir nichts passieren. Vertrau mir und du wirst wunderbares erleben. Du musst nur deine Augen schließen, die Muschel an dein Ohr pressen, und dein Vertrauen nicht verlieren."
Ich überlegte nicht lange. Es wartete sowieso niemand auf mich und die Stimme klang sympathisch und vertrauensvoll. Also schloss ich die Augen, atmete ein paar mal tief durch, um mich zu beruhigen, legte die Muschel an mein Ohr und wartete was passiert.
Die Stimme erklang wieder. "Bist du bereit? Dann leg die Muschel weg, zieh alles aus, nimm die Muschel wieder ans Ohr und gehe ins Meer." Ich befolgte die Anweisungen und erschauderte. War es die Aufregung, war es das vergleichsweise kalte Wasser des Meeres, ich weiß es nicht. "Nun schließe die Augen und tauche hinunter," flüsterte mir die Stimme zu. "Und fürchte dich nicht, wenn du den Sandboden berührst, du wirst hindurchtauchen, ich werde dich führen." "Wer bist du?", wollte ich wissen, bekam aber nur zur Antwort: "Vertraue und frag nicht". Also schloss ich die Augen, tauchte ab, stieß mit den Händen am weichen Sandboden an und tauchte durch ihn hindurch, als ob er nicht vorhanden wäre. Ich hatte so etwas noch nie zuvor erlebt. Ich schwamm durch den Sand und durch Korallen durch und spürte nichts davon. Ich dachte mir, so wird sich wohl auch ein Geist fühlen, der durch eine Mauer schwebt
Nach einiger Zeit sprach die Stimme zu mir. "Du kannst jetzt die Augen öffnen, denn du trittst jetzt gleich ein in unserer Welt." "Wo bin ich, was ist eure Welt, wer seid ihr?" all diese Fragen sprudelten aus mir heraus. "Still", erwiderte die Stimme, "schau dich einmal in Ruhe um, ich bring dich dann zu unserer Königin." Also öffnete ich die Augen und schritt durch ein Tor hindurch. Die Stimme sagte zu mir: "Du kannst die Muschel jetzt auslassen, du brauchst sie nicht mehr." Ich ließ die Muschel aus und stand nun auf einen wunderbar beleuchteten Marktplatz. Ich schaute auf die Stelle, wo ich die Muschel fallen gelassen habe und sah, dass sich diese in eine junge Frau verwandelt hatte. Sie war ganz grün bekleidet, und hatte langes schwarzes Haar. Auch ich hatte aufeinmal – wie durch ein Wunder – ein hellgrünes Kleid an. Sie nahm mich bei der Hand, und führte mich auf dem Marktplatz herum. Die Häuser waren alle von einem luminiszierenden Blau, sie wirkten in der Tiefe des Meeres fast unsichtbar. Die Kirche strahlte einen zarten hellgelben Schimmer aus; und in der Ferne erglänzte der Palast in einem unübertrefflichen Weiß. "Siehst du", sprach sie, "das ist das Land der Meeresgöttin Undine. Hier am Platz kannst du alles bekommen, was dein Herz begehrt." Ich blickte um mich und wirklich, die Stände waren voll von den herrlichsten Meeresfrüchten, Seegurken, Seerosen, Korallenketten, ... Ich kaufte einen Strauß Seerosen, damit ich ihn der Göttin überreichen konnte. Da ich sehr hungrig war, empfahl mir meine Begleiterin eine Seegurke zu probieren, und ein paar Stücke Forellenfilet. Mit der Gurke in der Hand wanderten wir weiter und die Seejungfrau Sireni fing zu erzählen an: "Vor vielen, vielen Jahren hatten wir noch ein gemeinsames Reich mit König Haiopai. Leider stritten sich Haiopai und Undine aber ständig wegen Kleinigkeiten. So verbannte sie ihren Mann und mit ihm zogen alle Männer aus unserem Land aus. Haiopai baute sich am Ende des Meeres eine neue Welt auf und wir leben seitdem glücklich hier herunten in Zafirien. Jetzt sandte Haiopai aber einen Reiter aus, um unserer Herrscherin mitzuteilen, dass er gerne ein Kind möchte, das sein Land weiterführte oder ob sie – was noch besser wäre – die 2 Ländereien nicht doch wieder zusammenlegen könnten, da er schon so alt sei. Undine weiß nun nicht, was sie tun soll. Und sie bittet Dich, als Erdenbewohnerin um Hilfe." In der Zwischenzeit hatten wir den Schlosspark erreicht, wo sich Silber- und Goldfische tummelten und aufpassten, dass kein Fremder zu nahe an das Schloss kam. "Ja Sireni, euch helfen bei einer so einer heiklen Aufgabe, das ist schon ein ganz schwerer Brocken. Aber ich will's versuchen." Sireni umarmte mich und vollführte einen Freudentanz mit mir. "Hey, nicht so stürmisch", warnte ich sie, "ich weiß ja gar nicht, ob ich für euch was tun kann". "Dir fällt sicher was ein." Antwortete sie. Sireni brachte mich also ins Schloss, wo wir einige hohe und langgezogene Gänge passierten. In einigen Nischen dieser Gänge waren Seeigel und Seesterne postiert, um jeden, der ungebeten ins Schloss kam, zu attackieren. "Ihr seid aber ganz schön abgesichert!" flüsterte ich.
Wir standen nun vor einer Türe, die wie von Geisterhand aufging. Vor mir stand S I E . Die Königin. Sie war fast 2 Meter groß, hatte wie die meisten hier langes Haar( Mit dem Unterschied, dass ihres schon silbrig war.) und war in eine Goldrobe gewickelt. Ihre Augen schimmerten Smaragdgrün. Und dort, wo eigentlich Füße hätten sein sollen, schaute ein Fischschwanz hervor. Sie lächelte mich an, streckte ihre Arme nach mir aus und sagte "Herzlich willkommen, Naomi. Ich habe gehört, dass du auf deiner Welt schon vielen Leuten geholfen hast, bitte hilf auch uns." Ich schluckte, meine Stimme schien zu versagen. "Ich will versuchen euch zu helfen, große Herrscherin" brachte ich heiser hervor. "Aber dazu müsst ihr mir erst erzählen, was genau geschehen ist."
"Na, na, keine Angst, Naomi, ich tu dir schon nichts!" lächelte sie. "Außerdem möchte ich dich bitten, nicht Herrscherin zu mir zu sagen, ich bin Hera Undine. Für dich einfach nur Hera." Ich bedankte mich bei ihr und fragte was nun weiter geschähe. Sie antwortete, wenn ich nicht zu müde sei, könnten wir gleich beginnen. Ich war munter und aufgeputscht, wie wenn ich 3 Kannen Kaffee getrunken hätte, und sagte ihr das auch. Also komplementierte sie Sireni aus dem Zimmer, sorgte dafür dass uns niemand störte und begann mir ihre Geschichte zu erzählen. Ich hörte sie an, ohne sie zu unterbrechen. Am Schluss sagte ich: "Nun Hera, möchtest du Haiopai helfen?" "Ja, das möchte ich natürlich!" erwiderte sie. "Nur wie?". "Sireni sagte mir, es gäbe mehrere Möglichkeiten: 1) Du und Haiopai bekommen ein Kind. 2) Du sendest eine deiner Dienerinnen zu Haiopai, und er bekommt mit ihr ein Baby. 3) Ihr legt euere Reiche wieder zusammen." Bei meinen Ausführungen war Hera blass geworden. "Ich – ein Kind? Kommt nicht in Frage, ich bin zu alt. Eine meiner Untertanen schicken – Ich wüsste nicht, wer es mit Haiopai aufnehmen könnte. Reich zusammenlegen – und vielleicht wieder im gleichen Schloss leben – Wie stellst du dir das vor?" Ich fragte: "Liebst du Haiopai noch?" "Hm, irgendwie schon, ja!" Diese Antwort hatte ich fast erwartet. "Also gut! Fassen wir zusammen! Haiopai hat dich sehr verletzt. Du liebst ihn aber trotzdem irgendwie. Wenn du ihm verzeihen könntet, wäre es dann möglich, dass ihr im gleichen Schloss wohnt?" "Wenn ich ihm verzeihen könnte, ja, dann schon" antwortete sie. "Nur, wie mach ich das?" Inzwischen war es schon Nacht geworden und Hera und ich verspürten leichten Hunger und Müdigkeit. "Ich mach dir einen Vorschlag", sagte sie. Wir essen zu Abend, legen uns schlafen und reden morgen früh weiter." Da ich von den heutigen Erlebnissen ziemlich erschöpft war, stimmte ich gerne zu.
Die Meereskönigin klatschte in die Hände und – wie von Zauberhand – erschien ein Tisch, gedeckt mit den leckersten Sachen. Nach dem Mahl, sank ich in mein Bett aus Entenfedern und fiel sofort in einen tiefen traumlosen Schlaf. Am nächsten Morgen wachte ich auf, wusch mich, zog ein blaues Kleid, das mit Fischen verziert war, an, frühstückte zusammen mit Sireni und ließ mich bei der Königin anmelden. Sie empfing mich und war schon gespannt, wie ich es denn anstellen würde, dass sie ihrem Mann verzeihen könnte.
Wir gingen in den Schlosspark und ich bat Hera, sich unter einen Baum zu setzen, der ihr gefiel. (Die Bäume in Zafirien sahen ähnlich aus wie unsere Kirschbäume, allesamt mit weißen und rosaroten Blüten besetzt) Sie nahm Platz und ich sagte: "Schließe jetzt bitte deine Augen und stelle dir vor du sitzt unter einem Baum. Du hast einen Strauss mit roten Seerosen in der Hand. In der Ferne siehst du jetzt jemanden herankommen. Du kannst ihn noch nicht erkennen. Dieser jemand kommt näher, noch näher. Jetzt siehst du: Es ist Haiopai. Keine Angst Hera, er kann dir nichts tun. Er ist traurig. Er fragt dich, ob er neben dir Platz nehmen darf. Erlaube es ihm bitte. Sei ganz ruhig. Jetzt erklärt dir Haiopai seine Gründe warum er dich verletzt hat. Er weint, er bittet dich um Verzeihung. Du verstehst jetzt, was schief gelaufen ist, zwischen euch. Nimm bitte jetzt deinen Blumenstrauß, reiche ihn Haiopai und sage: Ich verzeihe Dir. Wenn du jetzt dann deine Augen aufmachst, hast du ihm verziehen."
Heras ganzer Körper war schweißbedeckt, so hatte sie das angestrengt. "Öffne bitte deine Augen, Hera!" sagte ich. Sie tat es und schaute mich mit leicht verwirrtem Blick an. Nun bat Hera mich, zu ihrem Mann zu gehen und das auch bei ihm zu machen. Dann, sagte sie, würde einer Wiedervereinigung der beiden Länder nichts mehr im Wege stehen. Ich versprach es ihr. Sie küsste mich zum Abschied, setzte mich in eine Kutsche, die von 2 Seepferden gezogen wurden, und bat den Diener ihres Mannes, mich zu begleiten. So brausten wir also durch die Meere hindurch, bis zu Haiopais Reich, um ihm die freudige Nachricht zu überbringen. Auch er war gerne bereit, seiner geliebten Hera zu verzeihen. Und so wurde einige Tage später, ein großes Wiedervereinigungsfest gefeiert.

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