Wellensang
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Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
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Oktober 2001
Der McDonald’s Mord
von Klaus Eylmann

Heinrich Schneider haengte seine Jacke an den Haken und setzte sich an den Kuechentisch.
"Tut mir Leid, dass es wieder so spaet geworden ist."
"Hast du gewusst, dass es schwangere maskuline Wesen gibt?", rief Emma, seine Frau, ueber das Brutzeln der Bratkartoffeln hinweg.
"Nee, wieso? Bumsen die sich selbst? Die Natur macht doch die tollsten Experimente. Und dann regen wir uns darueber auf, wenn ein paar Knalltueten Menschen klonen wollen. Wenn ich mir vorstelle, dass es Lebewesen gibt, die sich ohne Weibchen fortpflanzen koennen."
Schneider sah seine Frau, die an den Tisch getreten war und die Bratkartoffeln auf die Teller lud, bedeutungsvoll an. "Wer oder was sind sie denn?"
"Seepferdchen." Emma oeffnete den Kuehlschrank und holte zwei Warsteiner heraus. "Aber, es ist ganz anders, als du nun denkst, mein Lieber. Es gibt sie schon, die Seepferdchenweibchen. Nur, sie haben die Schwangerschaft an die Maennchen delegiert, indem sie ihre befruchteten Eier in deren Brustbeutel abladen. Dort entwickeln sich die Kleinen, bis sie schluepfen."
"Donnerwetter," brummte Schneider. "Wenn ich so einen Brustbeutel haette, dann wuerde ich zu Hause rumhaengen, und du muesstest meine Arbeit uebernehmen, wo du doch kein Blut sehen kannst.
Lassen wir es lieber. Mich wundert sowieso, dass noch keiner angerufen...."
Das Telefon klingelte. Emma griff zum Hoerer. "Fuer dich, Heinrich."
Schneider meldete sich und sagte nach einer Weile. "Ok, ich komme."
"Was ist denn passiert?"
"Bei McDonald’s wurde eine Angestellte erschossen."
"Erst isst du deinen Teller leer," drohte Emma, goss die Glaeser voll und setzte sich an den Tisch. "Wir wollen uns doch wegen so einem doedeligen Mord nicht um das Abendessen bringen lassen."
"Na, du siehst die Sache aber ziemlich gelassen."
"Wenn ich das nicht koennte, waere unsere Ehe schon laengst kaputt, und du haettest dir deine Kartoffeln selber braten koennen." Emma erhob das Glas. "Prost, Heinrich."
"Prost, Emma." Schneider stand auf und stuerzte das Bier hinunter. "Jetzt muss ich aber doch los, sonst faengt die Leiche noch an zu stinken."
"Immer zu einem Scherz aufgelegt, was, Heinrich?" rief Emma ihrem Mann hinterher und schuettelte den Kopf.

Die Polizei hatte das Lokal und den Buergersteig davor abgesperrt. Schneider bahnte sich einen Weg durch die Neugierigen und ging in das Restaurant hinein.
"Wie sieht es aus, Dr. Petersen?"
Der Polizeiarzt sah von der Leiche hoch.
"Hallo, Herr Schneider, sehen Sie selbst." Petersen deutete auf das blutueberstroemte Gesicht der jungen Frau.
"Schuss aus etwa acht Meter Entfernung in die rechte Schlaefe, mit einer grosskalibrigen Pistole. Ich tippe auf Magnum 44. Sie war sofort tot.
Ihr koennt sie abtransportieren!", rief Petersen in den Raum hinein und stand auf.
"Und seit wann?"
"Der Tod muss etwa gegen 21:00 Uhr eingetreten sein."
"Da war schon weniger los. Ich sehe, der Schuss kam durchs Fenster."
Schneider sah sich um. Die Leute von der Spurensicherung waren mit ihrer Arbeit fast fertig.
"Herr Schneider. Morgen Nachmittag haben Sie meinen Bericht auf Ihrem Tisch. Wuensche noch einen schoenen Abend."

Wo war der Geschaeftsfuehrer? Schneider sah sich um. Dort stand sie, in ihrer dunklen Uniform, die sich von der burgunderfarbenen ihrer Mitarbeiter abhob. Eine staemmige, junge Frau, deren blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. Sie war dabei, die Abfallbehaelter zu oeffnen, die vollen Plastiksaecke gegen leere auszutauschen.
"Alles muss man hier selber machen," stoehnte sie, als Schneider auf sie zuging.
Sie laechelte freundlich. Sommersprossen, gruene Augen und dieses Laecheln.
"Kommissar Schneider," stellte er sich vor.
Schneider sprach mit ihr, erfuhr, dass sie Lisbeth Mueller hiess, die Tote Jessica Lange war, und dass es mit ihr nie Probleme gegeben habe.
"Hat sie keine Feinde unter ihren Kollegen gehabt?"
Die Frau schuettelte den Kopf. "Jessica war stets freundlich, hat auch in angespannten Situationen nie ihre gute Laune verloren. Es war einfach unmoeglich, sie nicht gern zu haben."
"Kann ich noch kurz Ihre Mitarbeiter befragen?"
Schneider war versucht albern zu sein und zu fragen: ‘Kann ich Sie zu einem Hamburger einladen?’.
Er fuehlte sich wohl in ihrer Gegenwart. Stattdessen setzte er sich an einen der Holztische und interviewte das Personal der Reihe nach. Doch auch hier erfuhr er nichts von Interesse.

Am naechsten Morgen im Buero unterrichtete Schneider seinen Mitarbeiter.
"Oekoterroristen. Heinrich, das waren eindeutig Oekoterroristen," meinte Udo Schmitz. "Erinnerst du dich noch an Jose Bovè, der in Frankreich eine McDonald’s-Filiale verwuestet hatte?"
"Und wenn schon," meinte Schneider. "In den Augen der Protestierer sind die Mitarbeiter von McDonald’s doch arme Schweine, die ausgebeutet werden, wenn sie fuer’n Appel und ‘n Ei arbeiten muessen. Ihr Protest richtet sich doch nicht gegen diese Leute!"
"Ach was. Sie meinen, die Angestellten seien Teil des kapitalistischen Systems und truegen dazu bei, dass es sich weiter ausbreitet."
"Warten wir lieber auf die Berichte, ehe wir uns in Spekulationen ergehen."
Schneiders Telefon klingelte. Er nahm ab.
"Gerichtsmedizinisches Institut," sagte er zu Udo. "Die haben was fuer uns, lass uns da hingehen."
Sie gingen zu Fuss, das Institut war nur ein paar Strassen entfernt. Mueller-Hermann, der Gerichts-mediziner, wartete im Obduktionsraum auf sie.
"Also, meine Herren, das wollte ich Ihnen zeigen." Mueller-Hermann zog das Laken von der Leiche. Sie lag auf dem Bauch.
"Betrachten Sie mal ihr Gesaess. Sehen Sie die geroetete Epidermis? Typische Zeichen von Verbrue-hung."
"Eigenartig," Schneider wandte sich an Udo. "Was meinst du dazu?"
"Arbeitsunfall?" Udo zuckte die Achseln.
"Wieso das? Halten sie dort ihren Hintern in den Ofen, um zu sehen, ob er warm genug ist? Wir fahren noch mal zu McDonald’s."


Lisbeth Mueller stand hinter dem Tresen, wo sie eine lange Menschenschlange abarbeitete und die Bestellungen entgegennahm.
"Komm, wir essen hier was. BigMac, Pommes Frittes und eine Cola, ist das ok? Besorg schon mal einen Platz." Schneider reihte sich in die Schlange ein.
Lisbeth strahlte, als sie ihn sah. "Ah, Herr Kommissar, was kann ich fuer Sie tun?"
"Zwei BigMacs, zwei Pommes Frittes und zwei Cola bitte. Ach so, und dann noch Ketchup. Und koennen Sie sich fuer einen Moment abloesen lassen und zu uns an den Tisch kommen? Wir haetten noch ein paar Fragen."

Schneider sah, wie Lisbeth auf sie zukam. Staemmig, und doch stimmten bei ihr die Proportionen, dachte er. Bei ihrem Anblick wurde ihm heiss. Und dieses Laecheln, und diese Sommersprossen, und diese gruenen Augen. Ich fange an zu halluzinieren. Wo ist mein Brustbeutel?
Schneider stellte Udo vor, doch Lisbeth hatte nur Augen fuer Schneider.
"Was wollen Sie wissen, Herr Kommissar?"
"Wie lange hat Jessica Lange bei Ihnen gearbeitet? Hatte sie jemals einen Unfall, oder war sie krank waehrend dieser Zeit?"
"Sie war zwei Monate bei uns und hat nie gefehlt."
"Frau Mueller, geben Sie mir bitte die Telefonnummer der Filiale hier, falls wir noch weitere Auskuenfte benoetigen."
"Wollen Sie auch meine?" Lisbeth blickte ihn schmachtend an. Dann nahm sie eine Serviette aus dem Staender und schrieb die Telefonnummern darauf.
"Vielen Dank, Frau Mueller. Wir moechten Sie nicht laenger aufhalten."
Lisbeth schenkte Schneider ihr strahlendstes Laecheln und verschwand hinter dem Tresen.

"Also dort hat sie sich ihren Hintern nicht verbrueht." Schneider und Udo waren auf ihrem Weg ins Buero.
"Dann fuehrt die Spur zu den Oekoterroristen," meinte Udo und hielt vor dem Polizeipraesidium.
"Ich weiss nicht recht. Diese Art von Terroristen legt doch eher Bomben oder demoliert Einrich-tungen. Das ueberzeugt mich nicht."

Gegen Abend machte sich Schneider wieder auf den Weg zu McDonald’s. Lisbeth hatte frei und er liess sich vom diensthabenden Schichtleiter Jessica Langes Personalakte zeigen. Er sah, dass die Lange bereits frueher in einer anderen McDonald’s Filiale gearbeitet, dann aber zwei Monate Pause gemacht hatte.
Schneider fuhr dorthin. Der Schichtleiter erzaehlte ihm, die Lange sei fuer ein paar Monate bei ihnen gewesen, dann aber ohne Angabe von Gruenden verschwunden.

"Das ist wie in einem Kriminalroman. Man muss die Mosaiksteine finden und zusammensetzen. Und die liegen bei McDonald’s, da bin ich ganz sicher."
Udo sass vor dem Bildschirm und erledigte Bueroarbeit.
"In Ordnung, legen wir die Oekoterroristen-Theorie erst mal auf Eis. Wie willst du nun weiter vorgehen?"
"Heute abend werde ich noch einmal zu Frau Mueller fahren."
"Warum denn nicht jetzt?"
"Weil sie abends mehr Zeit fuer mich hat."
"Und was sagt deine Frau dazu?", lachte Udo.
"Lassen wir das," winkte Schneider ab. "Wir muessen alle Opfer bringen. Ich rufe mal an, um zu sehen, ob Frau Mueller abends Dienst hat."

Schneider sah auf die Uhr und stand auf. "Halb zehn, ich muss noch mal los. Weisst du, der McDonald’s Mord. Der Geschaeftsfuehrer hat jetzt mehr Zeit fuer mich."
"Lass dir keinen ueberbraten und bleibe ruhig ne Stunde weg, dann brauch ich mir wenigstens nicht die bloede Sportsendung anzusehen." Emma zappte zwischen den Kanaelen hin und her.

"Alles klar, Herr Kommissar?" Lisbeth schien die einzige in dem Restaurant zu sein und kam hinter dem Tresen hervor. Schneider blickte sich um. In der Tat, das Lokal war leer.
"Ich habe meine Mitarbeiter nach Hause geschickt. Warten Sie einen Augenblick." Lisbeth ging zur Tuer und drehte ein Schild um. Schneider las: ‘geoeffnet’. Dann wird wohl draussen stehen: ‘geschlossen’.
Sie ging zu einem Schalter und knipste das Licht aus, trat dicht an ihn heran und legte ihre Arme um seinen Hals.
"Alles klar, Herr Kommissar?" hauchte sie ihm ins Ohr, schob ihn in die Kueche hinein. Schwach leuchteten einige Notlampen unter den Aggregaten.
Schneiders Blut kam in Wallung. Er presste sie an sich, beugte sich zu ihr hinab und verschmolz seine Lippen mit ihren in einem leidenschaftlichen Kuss.
"Heb mich hier hoch!" fluesterte sie. "Nein, nicht hier! Hier!" Sie deutete auf den chromblitzenden Arbeitsbereich. Schneider verschraenkte sein Haende unter ihrem prallen Gesaess und hob sie auf die
Arbeitsflaeche.
"Halt an!" schrie sie und sprang herunter. "Fast waere ich mit meinem Hintern in der Frittenpfanne gelandet. Da ist noch heisses Oel drin."
Lisbeth deckte das Becken mit einem Deckel zu, dann umarmte sie ihn wieder.
"So, jetzt bitte nochmal. Wie heisst du eigentlich?"
Schneider war wie vom Schlag getroffen. Frittenpfanne, das wars. Da hatte sich die Lange ihren Hintern verbrueht. Er versuchte sich von ihr zu loesen.
"Lisbeth, vielen Dank. Ich glaube, ich habe jetzt genuegend Informationen und gehe besser."
"Nichts da, Heinrich! Jetzt hebst du mich hier rauf!" Lisbeth hielt ihn eisern umklammert. Es hatte keinen Zweck, sie war zu kraeftig.

Am naechsten Morgen: Der Rest war Kinderspiel. Die Schichtplaene gaben Auskunft darueber, wer mit der Lange am letzten Tag bis zum Schluss in der anderen Filiale gearbeitet hatte. Der Mann wurde verhoert. Er gab zu, mit Jessica Lange ein Verhaeltnis gehabt zu haben, welches abrupt geendet hatte, als ihr Gesaess in das heisse Oel der Frittenpfanne abtauchte. – Er hatte nicht verwinden koennen, dass sie danach nichts mehr von ihm hatte wissen wollen, und sie erschossen.

Heinrich Schneider haengte seine Jacke an den Haken und setzte sich an den Kuechentisch.
"Fall geloest, Emma. Ohne dich haette ich das nicht hinbekommen."
"Was habe ich denn damit zu tun?", fragte Emma und schuettete die Spaghetti ins Sieb.
"Weil du so verstaendnisvoll bist und mich auch zu spaeter Stunde noch gehen laesst, wenn der Dienst es verlangt."
"Nun," meinte sie, und mischte das Ragout unter die Spaghetti, "irgendwie bluehst du dann am Tag darauf richtig auf und der Erfolg gibt dir ja auch recht. Ich freue mich mit dir. - Mein Erfolgsmensch." Emma beugte sich zu ihm herab und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.

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