'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
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Oktober 2001
Zweifel
von Martina Bartels

Endlich war Peter wieder zu Hause. In der Zivilisation. Fast zehn Jahre hatte er als Arzt in den Slums gelebt. Er hatte seine Arbeit und das Volk dort geliebt, doch nun war er zurück in Deutschland.
Er genoss den heimischen Luxus, kochte sich einen Kaffe und griff nach der Tageszeitung. Peter überflog die Seiten, als sein Blick auf die Todesanzeigen fiel. Unbewusst spannte er die Muskeln an und sein Atem ging flach. Mit geweiteten Augen las er immer wieder den Text.

Claudia, warum hast Du das getan?
Wir werden Dich niemals vergessen.
In tiefer Trauer Dein Mann Stefan Berg
Mit Sabrina und Sven

Peters Gedanken überschlugen sich. Claudia, seine Jugendliebe, hatte sie nicht einen Stefan Berg geheiratet? Irgendwann hatten sie sich aus den Augen verloren, aber vergessen hatte er sie nie.
Schnell griff er zum Telefon und rief seinen alten Freund Dieter an. Auch er kannte Claudia.
"Schmitt", erklang Dieters Stimme aus dem Hörer.
"Dieter, ich bin es Peter, ich lese gerade die Zeitung..." Einen Moment schwieg er.
"Ja, Peter, es ist deine Claudia", brach der Freund das Schweigen.
"Was ist passiert?", wollte Peter mit belegter Stimme wissen.
"Selbstmord, sie ist von einer Brücke gesprungen, es tut mir leid Peter", antwortete Dieter leise.
"Warum hat sie das getan?" wollte Peter wissen.
"Ich weiß es nicht, wir hatten wenig Kontakt, ich weiß es wirklich nicht."
"Danke, das muss ich erst verarbeiten, ich melde mich wieder bei dir." Ohne sich zu verabschieden beendete Peter das Gespräch.

*

Seine Claudia, Peter konnte es nicht fassen. Sie war so lebenslustig gewesen, immer voller Energie. Peter schüttelte den Kopf, irgendetwas stimmte da nicht.
Am nächsten Morgen fuhr er in die Bibliothek und schlug im Archiv die Zeitungen der letzten Woche nach. Er hoffte, einen Hinweis zu finden.
Schnell überflog er die Zeilen.
Ein schrecklicher Selbstmord, die 34 jährige Claudia B...Autobahnbrücke...sofort tot...ihre letzten Zeilen...verzeiht mir, ich kann nicht mehr. Fremdverschulden wurde ausgeschlossen. Sie hinterlässt ihren verzweifelten Ehemann und zwei kleine Kinder.

*

Gadankenverloren rieb Peter sich über die Stirn. Das passte nicht zu Claudia, niemals würde sie ihre Familie, ihre Kinder im Stich lassen. Er beschloss, ein paar Nachforschungen anzustellen.
Als erstes nahm er an der Beerdigung teil. Es war hart für ihn, denn er hatte Claudia sehr geliebt. Peter stellte sich ihrem Mann als alter Freund vor und sprach sein Beileid aus. Ihr Mann sah grauenvoll aus. Übernächtigt, grau im Gesicht, pausenlos liefen ihm Tränen über die Wangen.
Dann erkannte er Gaby, eine alte gemeinsame Freundin. Sie schluchzte laut und warf Claudias Mann böse Blicke zu. Peter sah sie fragend an.
"Nicht hier, lass uns einen Kaffee trinken gehen", sagte Gaby leise.

*

"Eine schreckliche Geschichte", begann er das Gespräch.
"Dieser Mistkerl hat sie auf dem Gewissen!", unterbrach Gaby ihn wütend.
Erstaunt sah Peter sie an. "Wie meinst du das?", wollte er wissen.
"Claudia war unglücklich, schon lange. Sie war depressiv und suchte Hilfe. Vor allem seine Hilfe, doch er hatte nie Zeit für sie. Claudia war absolut überfordert und fühlte sich hilflos und einsam. Er verstand sie nicht. Lachte sie aus und nannte sie eine Mimose." Gaby trank einen Schluck Kaffee.
Peter hörte schweigend zu.
"Claudia war oft bei mir und weinte. Ich habe versucht, ihr zu helfen, so gut ich konnte. Aber sie hätte seine Unterstützung gebraucht. Die letzten Wochen wurde es immer schlimmer. Claudia sprach von Trennung, hatte aber Angst, ganz alleine zu sein, obwohl sie es schon lange war. Sie sah wohl keinen anderen Ausweg mehr, aber er ist Schuld." Zornig wischte sich Gaby eine Träne von der Wange.
Beruhigend drückte Peter ihre Hand.
"Meinst du, er hat das so gewollt?", fragte er dann zögernd.
"So, nein, das glaube ich nicht." Gaby lachte hysterisch. "Nein, jetzt ist es ja nicht mehr einfach für ihn, jetzt muss er Verantwortung übernehmen. Jetzt, wo es zu spät ist. Er hat sie auf dem Gewissen!"

*

Peter überlegte einige Tage, dann beschloss er, mit Claudias Mann zu reden.
Zögernd ging er die Stufen hinauf und klingelte an der Tür.
"Peter Bayer", stellte er sich vor, als die Tür geöffnet wurde. "Wir sind uns auf Claudias Beerdigung begegnet, ich würde gerne mit Ihnen reden."
Fragend sah Stefan Berg ihn an, bat ihn aber herein.
Kurz erklärte Peter seine Beziehung zu Claudia und dass sie sich seit Jahren nicht gesehen hatten. Er erwähnte auch, dass er sie als stets lebenslustig in Erinnerung hatte und ein Selbstmord nicht zu ihr passte. Schweigend hörte Stefan zu. Eine Träne lief über seine Wange.
Stockend begann er zu erzählen.
"Sie haben Claudia lange nicht gesehen, sie hat sich sehr verändert. Nach den Geburten der Kinder wurde sie depressiv. Sie kam mit ihrem Leben nicht mehr zurecht und gab mir die Schuld dafür." Stefan schluchzte trocken. "In letzter Zeit gab es öfters Streit, weil sie sich gehen ließ. Claudia vernachlässigte die Kinder, das Haus, mich, einfach alles. Ich habe ihr zu einer Kur geraten, aber sie schrie mich nur an, ich wolle sie loswerden. Aber da steckt diese Gaby hinter. Immer hat sie Claudia gegen mich aufgehetzt..." Mit zitternden Händen griff Stefan nach einer Zigarette.
Schweigend sah Peter ihn an und berichtete dann vorsichtig von Gabys Vorwürfen, ohne ihren Namen zu nennen. Die Augen des Witwers weiteten sich vor Entsetzen und er brach in haltloses Schluchzen aus.
"Diese Lügen kann Ihnen nur Gaby erzählt haben." Er bat Peter zu gehen.

*

Ein paar Wochen später saß Peter in Gedanken versunken in einem Straßenkaffee. Sein Blick fiel auf die Passanten, ohne dass er sie wirklich sah. Lächelnd beobachtete er ein verliebtes Paar in einer innigen Umarmung. Dann zuckte er zusammen. Diese Beiden, dass waren Gaby und Stefan Berg!
Peters Gedanken überschlugen sich. Die gegenseitigen Anschuldigungen, die offen gezeigte Antipathie.
Ein abgezocktes Spiel?
Peter wusste, er würde das niemals beweisen können.
Der perfekte Mord?

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