Sexlibris
Sexlibris
Wo ist die Grenze zwischen Pornografie und Erotik? Die 30 scharfen Geschichten in diesem Buch wandeln auf dem schmalen Grat.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Judith Gröger IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
November 2001
Das literarische Quartett
von Judith Gröger

Der leere Bildschirm starrt mich an und wartet auf Buchstaben. Die Finger schweben über der Tastatur, jederzeit bereit, einen Satz zu tippen. Ich lausche in mich hinein, suche eine Idee. Aber mein Inneres ist still.

Da beißt mich jemand in den kleinen Finger, es zwickt ein bißchen. Quin Hi, einer der beiden grünen Jadelöwen, hat seinen Sockel verlassen und steht erwartungsvoll auf der Tastatur: "ß'ü#ß ß????????????" "Quin Hi, komm da runter! Ich kann ja gar nicht tippen!" Mit einem Satz landet er auf meinem rechten Arm und rollt sich dort ein. Von der anderen Seite der Büchern, die normalerweise von den beiden Löwen eingerahmt werden, räuspert sich sein Bruder Quin Ho: "Als wenn du auch nur ein Wort geschrieben hättest! Daß ich nicht lache." Geschmeidig springt er über Bücher, Stifte und CDs hinweg. Dann macht er es sich neben der Maus bequem, auf die er seinen Kopf mit der mächtigen Lockenmähne niederlegt. Er schaut zu mir hoch. "Du willst eine lustige Geschichte schreiben, nicht wahr?" "Tja, wenn mir nur etwas einfiele!"

Quin Hi gähnt genüßlich auf meinem Arm und streckt seine Krallen aus, die an meinem Pulli hängen bleiben. "Das ist wirklich kein einfaches Thema! Vielleicht sollten wir Mümü fragen. Heee, Mümü, aufwachen!" "Laß Mümü schlafen, die ist doch gar nicht für Witze zuständig", sage ich.

Aber Mümü, die hellrosa Specksteinschnecke, ist schon aufgewacht. Und auch Gromain, der Holzfrosch aus Frankreich, öffnet ein Auge. "Da habt ihr's, jetzt habt ihr sie geweckt", sage ich verärgert. "Klar, das war ja auch die Absicht." Quin Hi springt wieder auf die Tastatur "Läjnf2" und weiter zu Mümü hinauf: "Hey, wir wollen eine Geschichte schreiben! Bist du dabei?" Sie hebt gemächlich ihren Vorderleib, das Gehäuse kippt dabei ein wenig auf die Seite. "Eine Geschichte?", antwortet sie langsam-leise, "jaaaa, da gibt es schöne Möglichkeiten. Sooo viele Geheimnisse, die wir verdichten können. Schöne Geschichten. Zarte, sanfte Töne. Liebesahnungen. Mysterien, die im Dunkel ihr zauberisches Licht verströmen. Jaaaaa."

Quin Ho lacht und wälzt seinen Kopf auf die rechte Maustaste. "Klick" Das Hintergrundmenü klappt auf. Ich schiebe das Jadegeschöpf beiseite: "Laß bitte die Maus in Ruhe. Der Computer ist doch kein Spielplatz." Unbeindruckt tappst er zurück und legt sein Haupt demonstrativ wieder auf die Maus. "Kein Spielplatz", grollt er, "und wenn du stundenlang Myst laufen läßt, dann ist das kein Spiel, was?" "Das ist was anderes."

Mümü seufzt derweil weiter: "Verträumte Wälder, nebelverhangen. Feuchtes Moooos an einem plätschernden Bach. Und daaa sitzt die Heldin, eine wunderschöne Frau mit goldenem Schneckenhaus. Eine flüsternde Stimme im Dämmerlicht, aus der Welt der Mythen und Götter. Sie raunt Lieder der Kraft, wundersame Weisen, die uns in unsere Träume einweben. Jaaaaa." Quin Hi piekst mit einer Kralle ins Specksteinfleisch der Schnecke. Sie zuckt empört zurück und verstummt.

Gromain scheint jetzt richtig wach zu sein. Er legt eine Quakserenade hin, bevor er näselt: "Ihr 'abt doch alle keine Ahnung von 'umor. Das 'abt ihr nischt, non!" "Haben wir wohl", grollt Quin Ho, "und ich habe auch schon eine Idee. Also, da ist eine Frau namens Sibylle, und die putzt ihr Bad. Und da kommt Meister Propper daher und ... " "Meister Propper! Ein schleschter Schauspieler, zweidimensional. Ohne Tiefe." "Unterbrich Ho nicht", faucht Quin Hi und läuft um den Bildschirm herum, um seinem Gegner ins Auge schauen zu können. Mümü hat sich inzwischen in ihr Schneckenhaus zurückgezogen, da kann er sie nicht mehr pieksen.

Gromain läßt sich aber gar nicht einschüchtern: "Wahrer 'umor, meine Freunde, ist unterschwellisch, er ist in feinen Nuancen abgestuft. Er verführt zu einem kleinen Läscheln, das langsam leuschtender wird" - dabei verzieht er sein breites Maul – "und schließlisch zu einem wundervollen, schallenden Lachen." Jetzt springt Quin Ho auf und ist mit einem Satz neben seinem Bruder. Beide zeigen Zähne und Krallen. "Dann erfinde du doch so eine grandiose Geschichte, na los!"

Gromain hüpft unbehaglich auf und ab. Das Korbgeflecht der Dose, auf der er immer sitzt, knackt dabei bedenklich. "Nun, das ist natürlisch nischt so einfach. Dafür müßte isch misch etwas zurückzie'en und nachdenken." "Wir wollen aber jetzt die Geschichte schreiben", brüllt Quin Ho. "Wie wäre es denn damit? Wir schreiben einen Text, und dabei geht ein Buchstabe verloren, zum Beispiel das E. Dann klingt d'r T'xt ganz komisch: 'cht' 'l'fant'n 'ss'n s'hr vi'l." "Was? Isch verste'e nischt." Quin Hi grinst: "Wir lassen nicht das E weg, sondern das H, dann kann Gromain die Geschichte perfekt vorlesen!" "Das ist dann Französisch, nicht Deutsch." Die beiden Löwen lachen laut, während der Frosch beleidigt sein Maul verzieht.

Doch dann bläst er sich auf: "Wie wäre es, wenn du eine Geschischte verfaßt, die übermäßisch angefüllt ist mit allen möglischen Stilmitteln, eine Parodie auf die Schriftstellerei?" Mümü lugt aus ihrem Gehäuse hervor: "Oooh jaaaaa. Wallende Wooogen wiegen im wehenden Wind die wunderschöne, weinende Wwww – Heldin mit dem goldenen Schneckenhaus." Und Gromain fällt ein: "Unmöglischlangewortkonstruktionen ergänzen 'errlisch das Mittel der Nominalisierung der Sprache." Ich ziehe die Stirn kraus. "Dann brauche ich aber immer noch eine Idee für eine Geschichte, die ich in diesem Stil schreiben könnte. Das muß ja auch ein bißchen zueinander passen."

Quin Hi zeigt mit einer scharfen Kralle in Richtung Gromain. "Soll er doch die Geschichte erfinden, der aufgeblasene Kerl. Ich wette, ihm fällt nichts ein!" Bevor er ihn aufstechen kann, läßt Gromain schnell die Luft raus. Quin Ho brüllt: "Sei kein Frosch, Frosch! Wo ist deine Geschichte?" "Isch, isch kann nischt so schnell."

Mümü kommt ihm in gemächlicher Schneckeneile zu Hilfe: "Geheimnisse sind verborgen in der braunen Schachtel. Gromain, hüte sie wohl!" "Jawohl", sagt der Holzfrosch und wirft einen dankbaren Blick in ihre Richtung. "Isch 'abe schon eine Geschischte in der Korbdose. Aber sie ist ein Ge'eimnis, und Ge'eimnisse darf man nischt preisgeben, vraiment, non!" Noch bevor er ein bestätigendes Quaken von sich geben kann, stürzen sich die beiden Jadelöwen auf ihn. Quin Ho zieht ihn vom Deckel, den Quin Hi gar nicht schnell genug beiseiteschieben kann. Gromain wehrt sich verzweifelt, versucht, sich aus Quin Hos Maul zu befreien. Seine kräftig strampelnden Beine werfen die Dose vom Schreibtisch, und ein Schauer von glitzernden Herzchen und Sternen regnet herab.

Quin Ho läßt den Frosch fallen und springt zur Schachtel, wühlt mit der Tatze darin herum - aber da ist nichts. "Nur Glitzerkram? Mehr nicht? Wo ist die Geschichte?" Ich nehme den Frosch schützend in die Hand: "Die Geschichte ist herausgerieselt. Aber es ist eine andere Geschichte, eine Liebesgeschichte." Sorgsam setze ich Gromain neben Mümü ab, die ihn mit sanften Fühlern nach Brüchen abtastet. Bis auf ein paar Kratzer ist er glücklicherweise unverletzt. Ich sammle die Herzen und Sterne in die Dose und verschließe sie wieder.

"Ja", sage ich und stelle sie an ihren Platz, "die Liebe soll noch ein wenig in der Schachtel ruhen. Aber ich weiß jetzt, was ich heute schreiben werde. Komm Gromain, setz dich wieder drauf . Und ihr beide habt auch eine Aufgabe zu erfüllen, habt ihr das schon vergessen? Ab auf eure Sockel, sorgt dafür, daß meine Bücher nicht umfallen!" Während der Holzfrosch schon stolz auf seinem Platz sitzt, nehmen auch die Löwen zögerlich ihre Posen wieder ein. Quin Hi streckt zum letzten Mal seine Krallen aus. Quin Ho schüttelt seine Mähne, damit die Locken richtig fallen. Dann sind sie still. Mümü murmelt leise: "Die Liebe, jaaaa, sie ist verborgen, dort drin, jaaaa." Dann schläft sie ein. Ich lehne mich entspannt zurück, knete kurz meine Hände und beginne zu schreiben: "Der leere Bildschirm starrt mich an und wartet auf Buchstaben. Die Finger schweben über der Tastatur..."

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
Dieser Text enthält 8032 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.